Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Stundenhalt: Das Leben findet statt. Mit uns?

∞  29 Dezember 2009, 06:52

Wie war denn Ihre Welt dieses Jahr? Sie wüssten bestimmt einiges zu erzählen. Vielleicht haben Sie aber auch das Gefühl, Ihr Leben würde “langweilig” in den immer gleichen Bahnen verlaufen und wäre bestimmt keine Erzählung wert? Da würde ich jede Gegenwette eingehen. Wenn Sie einmal ein bisschen tiefer graben und etwas länger darüber nachdenken, wird plötzlich das eine zum andern kommen. Genau so verhält es sich auch mit Ihrem ganzen Leben. Das Leben, das nicht spannend erzählt werden könnte, gibt es nicht.

Nun, egal, wie sehr sie protestieren mögen – bezüglich “der Welt” werden wir uns wohl schneller einig: Unglaublich, was da “läuft” und immer “los ist”. Je nach Sichtweise laufen die Dinge aus allen Rudern oder sie können genauestens analysiert werden. Auf jeden Fall sind sie Thema. Unsere Welt ist eine Medienwelt. Es kann uns gar nicht gelingen, sie nicht in der Weise gefiltert wahr zu nehmen, wie sie “die Medien” für uns selektieren und “aufbereiten”. Nichts ist heilsamer, um jede Illusion zu verlieren, als die Erfahrung, in einem fernen Land einmal zu verfolgen, wie und was (das vor allem!) über die Schweiz oder Europa berichtet wird. Es kann durchaus schockieren, was dabei ein Thema ist, und was nicht, zumal, wenn wir von Ländern reden, denen gemeinhin nicht zugetraut wird, dass sie die drehende Kugel, auf der wir uns bewegen, gleich in die Luft jagen oder zum Stillstand bringen könnten. Manchmal mag es Ignoranz sein, oft nur Unwissenheit, immer aber ist es auch das Bild, das schon besteht, welches mit bestimmt und sich vertieft.

Wie viel von unserem Wissen über die Welt ist angelesen – und wie viel ist erfahren? Die Antwort (die ich vermute) will ich Ihnen nicht geben, zumal dann auch noch zu beachten wäre, dass die Erfahrung, die ich als Tourist in einem Land machen kann, zwar eine tiefere ist, aber noch immer eine in vielen Dingen zufällige: Mir fehlt die Zeit. Uns allen fehlt die Zeit. Und weil wir uns die Welt anlesen “müssen” und immer mehr über die Welt zu lesen steht, haben wir immer weniger Zeit, die Mikro-Welt, die um uns ist oder wirklich wäre, zu sehen und in ihr zu leben. Wir machen uns statt dessen Sorgen um die äussere Welt, die sich vor unseren Augen manchmal scheinbar ohne uns weiter dreht, ihrem Verhängnis oder ihrer Bestimmung entgegen.

Dinosaurier erscheinen uns faszinierend. Dass es solche gewaltigen Viecher vor Abermillionen von Jahren schon gegeben hat, tröstet irgendwie über die Tatsache hinweg, dass wir in rund 4’000 “modernen” Menschheitsjahren die Welt ziemlich grundlegend verändert haben. Es scheint so, als gäbe es Pläne, die über unseren Horizont reichten – und wenn wir ehrlich sind, ist das zu begrüssen. Allerdings heisst das auch, zu erkennen, dass die Welt ohne uns auskommt. Und irgendwann auch wieder auskommen wird.

Für uns alle aber ist Zeit, so wie wir sie verstehen, eine messbare Linie von abfolgenden Ereignissen, Herzschlägen gleich, und damit ein höchst begrenzter Begriff. Die Unendlichkeit dieser Linie, die wir dieser Welt zudenken mögen, bleibt ziemlich theoretisch und auch ein wenig bedrohlich. Denn wir wissen, dass so, wie wir “sind”, wir auf dieser Linie eher früher als später keine Rolle mehr spielen. Als Einzelne wie als Spezies. Wäre es da nicht sinnvoller, die Welt wirklich zu entdecken, statt sie im Fernseher vorgeführt, gedeutet und gefiltert zu bekommen?

Was ist denn die Welt, die man uns zeigen will? Vielleicht läge da ein ganz persönlicher, stärker zu gewichtender Filter für uns bereit, nach dem wir die Nachrichtenflut am Nadelöhr der persönlichen Wahrnehmung besser drosseln könnten: Sucht die Nachricht den Konsumenten in mir? Warum will ich mich (schon wieder) informieren?

Und was mache ich mit dieser Information? Hat überhaupt irgend etwas Relevanz, das, wenn ich es “weiss”, nicht dazu führt, dass ich (bei mir) irgend etwas ändern kann? Was macht die Wiederholung der Nachricht(en), in Nuancen alternierend, mit mir und meiner Wahrnehmung?

Sollten die Antworten, die Sie sich auf diese Fragen geben mögen, dazu führen, dass Sie ausgerechnet dieses Blog nicht mehr lesen, so habe ich Pech gehabt. Ihr Glück kann es durchaus werden – wenn Sie sich diese Zeit wirklich für tatsächlich anderes erhalten. Für Ihre reale kleine Welt, die gross genug ist für ein sattsam spannendes Leben, womit wir wieder beim Beginn dieses Artikels wären.