Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Stars wie Sternchen wie Nicole Bernegger

∞  1 November 2013, 13:50

Talentshows sind wirklich eine Show. Beste Unterhaltung mit viel Herzschmerz und dem visualisierten Traum, nach dem Singen unter der Dusche auf eine Bühne zu steigen und alsbald Schallplatten en masse zu verkaufen und Konzerte vor ausverkauften Hallen zu geben.

Ja, und manchmal, gar nicht so selten, sind wirklich ganz ausserordentliche Stimmen dabei – so, wie dies ganz sicher für Nicole Bernegger gilt, die erste Siegerin von “The Voice” in der Schweiz. Sie gewann hoch schwanger und gebärte erst mal ihr drittes Kind. Nun ist sie wieder da, hat ein von Stress und Bligg produzieres Album produziert und gibt Konzerte. Möchte Konzerte geben. Doch es klappt nicht. Die Songs werden der Stimme nicht gerecht, die Veranstalter bleiben auf den Tickets sitzen. Eine ausserordentliche Stimme kommt weichgespült im Mainstream nicht zur Geltung. Schon, aber eben nicht so, wie es sein könnte. Nicole Bernegger ist genau das, was sie vor der Show schon war:

Eine aussergewöhnliche Sängerin ohne grosses Publikum. Für sie ist das, unter dem Strich, nicht gar so schlimm, denke ich, denn all das, was sie eben nicht zum Star tauglich macht, lässt sie fürs Leben taugen, auf der Erde stehend: Mutter und professionelle Sängerin mit “The Kitchenette” ist sie schon, sie weiss im Grunde, was sie mag, und sie hat die Bestätigung ihres Talents in einer Fernsehshow erfahren. Sie wird es genau als das abtun bzw. bewahren können, als das es taugt: Eine zusätzliche, spannende Erfahrung. Hoffe ich zumindest.

Schwieriger dürfte das für jene Kandidaten sein, die wirklich von unter der Dusche kommen und plötzlich zu träumen beginnen – bis die Blase platzt. Denn das Wort “Star” hat selten so wenig Berechtigung, wie in einer Casting Show – die, kaum ist sie vorbei, auf die nächste Ausgabe wartet. Casting Shows werden nicht gemacht, um Träume wahr werden zu lassen, sondern um uns träumen zu lassen. Das ist ein sehr grosser Unterschied. Wir projizieren unsere romantischsten Vorstellungen in oft junge Menschen, und die müssen dann mit dem Salat fertig werden.

Eines aber bleibt auch klar: Singen, Musik ganz allgemein, ist eine Seelensprache, und wer wirklich die Liebe zur Musik findet und sie pflegt, kann gar nicht anders, als immer wieder zu versuchen, sich in der Musik auszudrücken und zu finden. Egal, ob unter der Dusche, als Strassenmusikant oder in einer rauchigen Bar. Wer diesen Antrieb hat, sich und all seinen Gedanken, Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen eine Sprache zu geben, wird nie aufhören wollen zu malen, zu schreiben, zu musizieren, zu tanzen. Und sehr wahrscheinlich ist man in diesem Tun irgendwann in einem völlig unbeobachteten Moment am besten. Das Publikum sei Inspiration, heisst es. In erster Linie ist es eine Herausforderung: Authentisch zu bleiben trotz mehr oder weniger Applaus. Und nur die wenigsten dürfen bleiben, was sie mal waren. Sänger unter der Dusche. Seelentäter. Die meisten werden verbogen und gedehnt, sind Symbole der Schmerzen, die uns allen die Sachzwänge der Arbeitswelt, der Erfolgshunger und der Wunsch nach Bestätigung bereiten.

Bleiben wir, wenn möglich, in allem, was wir tun, das, was wir wirklich mitteilen können und wonach wir auch von anderen gefragt werden: Wie schaffe ich es, der Mensch zu werden, der ich sein kann?

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Youtube – Nicole Bernegger, Blind Audition in The Voice
Nicole Bernegger floppt
Nicole Bernegger, Album – The Voice

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