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Sozialpartner. Nicht -Gegner.

∞  14 Oktober 2014, 19:05

Hart aber Fair – der ARD-Polittalk zum Lokomotivführerstreit in Deutschland – und der Frage, welche Art Streiks wann von wem wie durchgeführt werden sollen können dürfen.

Gegen Ende der Sendung verweist Moderator Frank Plasberg auf das Beispiel der Schweiz, wo sich Arbeitgeber und -nehmer zur Wahrung des Arbeitsfriedens bekennen. Im kurzen Bericht wird die Schlichtungsstelle erwähnt, welche bei unüberbrückbaren Differenzen zum Einsatz kommt.

Ein Aspekt, der wichtigste, wurde dabei nicht erwähnt, aber es ist auch ein so genannt weicher Faktor: In dieser Praxis, die seit 1937 gilt, haben die Sozialpartner immer wieder die Erfahrung machen können, dass die Wahrung des Sozialfriedens allen Beteiligten hilft – und damit erkennen Arbeitnehmer UND Arbeitgeber in der Aufrechterhaltung der guten Sozialpartnerschaft einen unbedingt zu wahrenden Standortvorteil – im Interesse der eigenen Seite. Diese Kultur führt wohl nicht selten dazu, dass die Angebote und Forderungen, mit denen beide Seiten in die Verhandlungen für neue Gesamtarbeitsverträge steigen, in aller Regel nicht absurd weit auseinander liegen, wie jetzt in Deutschland im Konflikt der Lokführer mit der Deutschen Bahn. Der Schaden, der in diesem Fall angerichtet wird, ist für Schweizer Beobachter ein absoluter Gau, denn das Gebot der Verlässlichkeit der Produktion betreffend Lieferterminen und Art der Ausführung, die Sicherheit der wirklich abrufbaren Dienstleistung – das ist pures Kapital, das sich beide Seiten nicht kaputt machen wollen – die Beziehung zu Abnehmern der Firma soll in keinem Fall beschädigt werden.

Es wurde mit Recht in dieser Sendung vom neuen Focus-Chefredakteur darauf hingewiesen, dass die Verunglimpfungen der Deutschen Bahn aus den Reihen der gewerkschaftlich organisierten eigenen Lokführer ein No-Go darstellen. Da geht Unternehmenskultur verloren – oder es wird offensichtlich, dass es die nicht mehr gibt.

Das Bewusstsein, dass faire Arbeitsbedingungen zu fairen, guten Produkten und Dienstleistungen führen, die allen Beteiligten dienen und dem Unternehmen die Kunden erhalten, weil diese dies honorieren – es ist hier noch vorhanden, bzw. weit verbreitet – und der gesellschaftliche Druck auf die Sozialpartner, sich im Streitfall zu einigen, ist auch deshalb extrem hoch, weil auch scheinbar unbeteiligte Branchen und Gewerkschaften ein hohes Interesse daran haben, dass diese Kultur weiter erhalten bleibt. Sie ist einer unserer grössten Vorteile im internationalen Vergleich – auch wenn man diesen Vorteil nicht beziffern kann. Aber er steckt uns in den Gliedern, im Hirn und im Herzen, und wir wollen für Firmen arbeiten, die diese Prinzipien ebenfalls vertreten. Für dieses Ziel müssen beide Seiten immer wieder auch etwas geben, und mir scheint, dass dank dieser Grunderfahrung die Knüppel extremer Forderungen oder Verweigerungen eben von vornherein nicht ausgepackt werden. Die Schweiz hat sich hier wirklich einen enormen Standordvorteil erarbeitet – und wir werden hübsch Sorge dazu tragen, dass sich auch zuziehende Firmen an diesem Wechselspiel von Geben und Nehmen beteiligen und diese Kultur nicht verderben.