Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


So, wie wir die Dinge sehen, müssen sie für andere nicht sein

∞  23 Januar 2011, 23:42

Den Menschen erregen nicht die Dinge selbst, sondern seine Sicht der Dinge!
Epiktet



Ups… da landet der Philospoph aus der Antike bei mir einen Volltreffer! Wie oft schreie ich doch “Skandal”, wenn mich etwas aufrüttelt oder mich eine Beobachtung unserer Gesellschaft beschäftigt. Ich rege mich auf, will dass sich andere aufregen, schreie nach Gerechtigkeit, lamentiere wider die Trägheit auf allen Seiten und bin dabei nur eines: Ein aufgeregter Irrwisch ohne Kraft.

Tatsächlich ist es so, dass, wenn ich mich von einem Ereignis berühren lasse, wenn es mich aufrüttelt, ich der Sache in keiner Weise diene, wenn ich mich in dieser Weise errege. Im Nu bestehe ich nur noch aus innerer Unruhe und bin in einem Zustand, in dem ich gar nichts verändern kann.

Womöglich errege ich mich über den Umstand, dass ein anderer eine Sache ganz anders sieht, als ich. Ich finde das unmöglich und kann das nicht begreifen. Und genau so werde ich auch selbst nicht verstanden. Also ist es sehr viel besser, sich darauf zu konzentrieren, was ich selbst wahrnehme.
Das kann ich auch an einem kleinen und durchaus in sich schon positiven Beispiel üben:

Ich sitze mit anderen am Strand und blicke aufs Meer. Ich mache eine Entdeckung im Sand, sehe ein malerisches Fischerboot am Horizont. Ich teile meine Freude und erzähle, was ich sehe.
Ich muss deshalb nicht meinen, die anderen müssten genau so begeistert sein wie ich. Sie haben vielleicht im Moment Augen für ganz anderes – oder eben auch gar keine. Wenn ich mich nun enerviere,geht mein eigener schöner Blick verloren und ich kann den Tanz des Fischerbootes nicht mehr geniessen, weil es mein Begleiter nicht gleich sieht wie ich.

Da ist es doch viel besser, sich vom Fischerboot verzaubern zu lassen – und allenfalls dann davon zu reden, wenn ich gefragt werde, was ich sehe, weil meine stille Freude jemanden neugierig gemacht hat.

Wenn wir uns von etwas berühren lassen, dann ist das immer auch eine persönliche Sache. Darin liegt keine Einschränkung, sondern erst einmal ein ganz besonderer Wert. Und wenn wir daran denken, wer uns wirklich je etwas gelehrt hat, dann werden wir uns erinnern, dass dazu immer auch eine bestimmte Form von Ruhe gehört hat. Ein Staunen, das der Neugier folgt, ein Verstehen wollen, weil Aufmerksamkeit geweckt wurde. Die Erregung, etwas Schönes entdeckt zu haben, ist persönlich. Und damit soll und darf ich auch immer bei mir selbst auf meine eigene Weise umgehen. Das Teilen mit anderen ist dann von einer ganz anderen Tiefe – und hat die Gelassenheit, dass niemandem sonst gefallen muss, was mich erfreut hat. Schön ist es trotzdem. Denn schön habe ich es gesehen.