Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Sechs Stunden auf dem Weg zum Check-In - Eine (Zwischen-)Bilanz

∞  17 Mai 2010, 17:14

Heute bin ich also mal dran, mich mit einem aktuellen Thema nicht nur theoretisch zu befassen. Nein, für einmal bin ich irgendwie mittendrin. Na, wir wollen nicht übertreiben. Ich bin einfach mit betroffen.

Der isländische Vulkan spuckt also munter weiter seinen Auswurf in die Atmosphäre, und die europäischen Flughäfen machen hektisch die Fenster zu und wieder auf. Und heute galt das offensichtlich auch für Amsterdam – und genau da wollte ich eigentlich hin.
Die Abflug-Terminals mit den Bildschirmen sind in Zürich ja durchaus übersichtlich. Da ist es schon ein bisschen komisch, wenn ich “meine” Flugnummer nicht finde…

Unbeirrt gehe ich dennoch zum Check-In, und dort wird mir dann bestätigt, was ich befürchtet habe: Der Flug ist gestrichen. Der Flughafen Amsterdam ist geschlossen.
Die Dame am Desktop sieht quasi vorauseilend meine Ratlosigkeit hochsteigen, deutet sie, gestählt aus wohl schon einem ganzen Morgen und davor vielen Wochen Erfahrung als Ärger und faltet sofort den Verteidigungsschild auseinander: Höhere Gewalt, gegen Natur können wir nichts und so weiter. Dass ich schon einen Schritt weiter bin und von ihr nicht mehr will als Hilfe dabei, wie ich denn nun dennoch an mein Ziel komme und welche Möglichkeiten es dafür gibt, das bemerkt sie erst gar nicht. Als es dann klar ist und ich ihr auch noch ein Lächeln schenke, ist die ältere Dame so was von erleichtert, dass ich mich frage, ob dieser Job ihrem Blutdruck wirklich gut tun kann…

Aber sie hat Hilfe und ich damit auch: Am KLM-Ticket-Schalter hat ein smarter Dreissiger mit pechschwarzem Maßscheitel alles im Griff – und er glaubt auch zu wissen, dass am Nachmittag der Flughafen wieder offen sein wird. In kürzester Zeit bin ich überzeugt, dass mich dieser smarte KLM-Officer allenfalls in seinem Maserati, den er wohl als Zweitwagen für notleidende Economy-Kunden wie mich in der Flughafen-Tiefgarage, – Abteilung VVIP – abgestellt hat, persönlich nach Amsterdam chauffieren wird. Also checke ich sogleich ein – für den Flug um 19h25, statt um 12h35. Am Ende ist der Schnellere der Geschwindere, oder…?
Später dämmert mir, dass das vielleicht nicht so eine gute Idee war… Ich bin nun zwar mein schweres Gepäck los – aber was ist, wenn früh am Nachmittag der Flughafen noch immer geschlossen ist und der Abendflug auch kritisch wird? Dann wäre die Bahn mit dem City-Liner nach Amsterdam die Alternative – die ich nun nicht buchen kann, denn ich bin ja eingecheckt für den Flug. Ich beschließe, mich für alle möglichen operativen Optionen zu rüsten und gehe dennoch zum SBB-Schalter. Ich möchte wissen, ob denn da noch Platz vorhanden wäre. Ja, wäre. Und jetzt? Die nette Dame erfindet für mich eine Möglichkeit, mir bis vier einen Platz zu reservieren – auch ohne Buchung, was einen Kollegen nur den Kopf schütteln lässt. Ich erkläre ihr in verschwörerischem Flüsterton meine Dankbarkeit und versichere ihr, dass sie ihren Job nicht für mich riskieren muss, wenn ihr jemand auf die Hühneraugen treten sollte… Das war zwar nicht galant ausgedrückt aber so gemeint, und ich stürze mich mit Frau Bräggers Lächeln gewappnet wieder auf die KLM.

Und hier heisst es dann, es sähe gut aus. Alle sind zuversichtlich, und das ist doch schön. Auch jetzt noch. Also habe ich Frau Brägger von allen Karriererisiken wieder befreit und die SBB-Reservation zurück gegeben.
Warum ich das alles erzähle? Es wäre gar kein so grosses Problem, wenn ich nicht fliegen könnte. Die Welt geht nicht unter. Umgekehrt verdienen es meine Ansprechpartner, dass ich tue, was möglich ist, um die Termine einzuhalten. Eine also relativ entspannte Situation, ein wenig unangenehm vielleicht, man könnte ja woanders mehr aus dem Tag machen, aber täte man es auch mit Sicherheit? So aber habe ich eines erfahren: Hier ist es wie überall: Die Menschen an der Front, welche alle Unzufriedenheit von Kunden auffangen und kanalisieren und das Recht immer über den Tresen reichen und dazu nicken – sie machen die Firmen aus, auf die wir so stolz sind (die SBB dürfte wohl das beste Bahnnetz der Welt besitzen). Ich bin, liebe Damen und Herren, wieder einmal schwer beeindruckt von Ihnen. Und ich danke Ihnen stellvertretend für alle Ihre Kolleginnen und Kollegen von ganzem Herzen für Ihren Enthusiasmus und Berufsstolz.
Mir hat das nicht nur heute sehr imponiert. Ganz egal, ob ich jetzt reisen kann oder nicht. Es ist viel für mich getan worden. Mehr würde ich nie erwarten.