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Schweiz: Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein

∞  10 Dezember 2012, 19:56

Die Schweiz – das demaskierte Land? Das Postkartenleben in der properen Landschaft nur möglich dank Steuerhinterziehern und egoistischem Abseitsstehen in Europa? Die Demontage scheint uns umfassend, und wir blicken ungläubig in den Dreck, mit dem “man” uns bewirft.

Sind wir das alles? Nein. Aber wir schweigen. Und wer Aufstand fordert, Selbstbewusstsein, Selbstdarstellung, sieht sich entweder veranlasst, sich erst recht in die Abschottung zu flüchten – oder aber er meint, die Schweiz könne sich nur ein anderes Image verschaffen, wenn sie der EU beitrete. Beides ist falsch. Denn in beiden Positionen tun wir gerade so, als wäre alles schlecht, was die Schweiz von heute ausmacht. Wir wissen es doch als Erste besser: Nicht mal die Konkurrenz meint, Schweizer Banking und Vermögensverwaltung wären nur dank des Bankgeheimnisses weltweit führend. Die Mitbewerber wissen es besser, aber es ist ganz praktisch, uns in diesen schabrackigen Anzug stecken zu können. Die Schweiz ist nur Schwarzgeld, Schokolade und Käse. Wie sehr will man sich eigentlich ennet der Grenzen in die Tasche lügen? Die Schweiz ist seit je her ein erfolgreiches Exportland, mit einer starken Pharma- und Maschinenindustrie und der Kunst, Maschinen aus einem Hochpreisland weltweit absetzen zu können. Hochtechnologie in allen Produktionszweigen wird gefördert und zieht weltweit tätige Firmen an.

Die Schweiz ist das einzige Land Europas, das den Mut hat, seine Bürger zu eben diesem Europa zu befragen – und deren Stimmberechtigte mehrmals konstruktive bejahende Entscheide zu bilateralen Abkommen gefällt haben. Schweizer haben im Gegensatz zu allen EU-Mitgliedstaaten Regelungen wie die Personenfreizügigkeit oder Schengen an der Urne bejaht. Schweizer haben in ihrer direkten Demokratie die Möglichkeit, Politik rollierend und sachbezogen mit zu entscheiden und sind daher in der internationalen Politik glaubhaft und verlässlich. Wir haben ein Regierungssystem, das Kontinuität und die Beteiligung von Minderheiten an der Exekutive einschliesst, unter Einbezug aller Kräfte. Die Schweiz hat sich vor Jahren eine Schuldenbremse verordnet und weist einen geordneten und ausgeglichenen Staatshaushalt aus, die Neuverschuldung ist gering bis minimal.

Der Schweizer Franken gilt als sicherer Hafen (warum eigentlich, wenn wir doch alle Gangster sind, die vor der Überführung stehen?), der Schweizer Franken hat daher den ständigen Druck der künstlichen, nicht der Wirtschaftsleistung entsprechenden Aufwertung zu verkraften. Wir stemmen uns dagegen, bis anhin mit Erfolg, auch wenn die Nationalbank dafür eine Untergrenze des Euro verteidigen muss, mit hohem Inflationsrisiko.

Nirgends in Europa ist die Arbeitslosigkeit so gering wie in der Schweiz, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, der wohl wichtigste soziale Index überhaupt.

Die Schweiz geht in allen ihren politischen Prozessen nicht den Weg des geringsten Widerstandes, sondern sucht den Ausgleich mit Minderheitspositionen. Daraus erwächst eine Kultur, die uns oft langsam erscheinen lässt, aber auch eine Form der Erdung bedeutet.

Wer will, kann sich bei uns eine ganze Menge abschauen. Auch, wie man gute Schokolade macht. Wir schauen derweil auch nach Belgien und naschen Pralinen. Andere Konditoren verstehen ihr Geschäft auch. Was ist so schwer, sich diese Anerkennung gegenseitig zu schenken?