Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Schreibend die Zwiebel schälen

∞  9 August 2013, 13:30

Die Frage nach den Impulsen des Schreibens ist auch eine Frage nach den tieferen Schichten meines Daseins. Schreiben schaut immer auch nach innen und offenbart den stets eingeschränkten Blick auf die Welt. Ihn zu weiten wäre schön. Grosszügiger sein können mit der Welt, weil ich in der eigenen Tiefe Wurzeln schlage.

Die Grundlage jedes Schreibens ist eine Art Zwiebelschälen: Die Schicht, die ich in mir frei lege, bestimmt die Art des Textes: Schreibe ich über Tagesaktualität, ist mit der Freigabe oft die innere Beschäftigung abgeschlossen – next one. Entsprechend bleibt so was schon mal an der Oberfläche hängen, und ich drücke vielleicht nicht viel mehr aus als einen momentanen Ärger. Grabe ich tiefer, so schreibe ich mehr über “Grundsätzliches”, und damit automatisch auch mehr über mich. Und was ich frei lege, gebe ich auch nicht unbedingt frei. Vielleicht nicht mal vor mir selbst. Dazu ist es auch schwierig, diese Tiefen in Worte zu fassen. Wie fängt man Licht ein? Oder Dunkelheit?

Schreibe ich über wirklich für mich Essenzielles, geht es meist auch um Gefühle, um Stimmungen, um Bauchgefühl und Wahrheiten, die – eben – nicht unbedingt so leicht auf Papier zu bringen sind. Und doch wünschte ich mir, wir würden alle mehr nach Ausdrucksformen suchen, mit denen wir einander sagen könnten, was wir empfinden. Liebe, Sorge, Angst, Wut, Hass, Güte, Sehnsucht, Sinn, Suche nach dem Urvertrauen. All dies beschäftigt uns, und beschäftigen wir uns nicht damit, so wohl kaum, weil wir gute Buddhisten sind, welche die Anhaftung an Stimmungen überwunden haben, sondern weil wir ihrer müde geworden sind. Was ich unsagbar schrecklich finde.

In Zeiten, in denen Menschen das Phänomen der Liebe mit dem Ablauf von chemischen Prozessen und Hirnströmen zu erklären beginnen, wird für mich die Rationalität zum Bremsklotz jeder Reise in Empfindungen. Wir geben ein Stück Leben preis, und verstehen gar nicht, dass unserem Drang, die Dinge erklären zu können, die Entzauberung folgt: Wir bugsieren sie in die Box der Nebensächlichkeiten, auf Grund von “Erklärungen”, die auf dem Grad unserer momentanen Unwissenheit beruhen. Fast scheint es so: Kenne ich die Liebe nicht (mehr), weiss ich aber, dass es “bloss” eine chemische Reaktion ist, so glaube ich daran, dass sie eh nur ein Trugschluss ist – um sie dann nicht mehr zu vermissen? Und was, bitteschön, ist die Folge davon?

Nein: Alles, was uns zum Träumen bringt, was uns Romane lesen und epische Dramen im Kino verschlingen lässt, ist genau darauf angelegt: Unsere Herzen und Seelen anzurühren. Das scheinbar Diffuse ist das Lebendige, denn es wohnt ganz tief in uns. An die Liebe zu glauben, ist keine Theorie. Sondern ein Lebensprogramm, eine Liebeserklärung an uns selbst, ein Forschen nach unseren innersten Kräften, nach einem Füllhorn an Güte, das in uns wohnt. Und dieser Kraft näher zu kommen, Dinge zu be-schreiben, die uns allen wichtig waren und wieder sein sollten – dafür lohnte sich doch jede Zeile, oder?