Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Schreib mal wieder: Einen Brief

∞  4 Mai 2009, 17:58

Ich wüsste zu gern, ob es heute noch Angehörige der schreibenden Zunft gibt (ich fasse den Kreis, vorsichtig wie ich bin, bewusst sehr weit), die sich gegenseitig Briefe schreiben. Schliesslich ist die Literaturgeschichte voll von veröffentlichten Briefen unter schreibenden Geistern.

Ein Brief ist was Anderes. Was Eigenes. Als was? Als alles andere. Es ist eine eigene Schreibform. Dabei kann der Brief noch so selbstgesprächig daher kommen, er ist dennoch Teil eines Dialogs. Jedes Wort, das da steht, hat einen Adressaten, den der Schreibende kennt. Er teilt, während er entdeckt. Er teilt mit, dem Lesenden und mit dem Lesenden. Er ist privat und offenbart dennoch immer etwas. Und vielleicht liegt der Zauber ja auch darin, dass der Lesende nie so genau weiss, wie sehr das Empfangene wirklich nur für ihn bestimmt ist.

Wann haben Sie zum letzten Mal einen Brief bekommen? Er muss nicht mal auf Büttenpapier geschrieben sein, handschriftlich. Einfach so. Mit der Post. Oder im Anhang eines Mails. Eine persönliche Not, schon in der Form. Von jemandem, der sich hingesetzt hat, für Sie. Und für sich.

Ich finde, wir sollten uns mehr Briefe schreiben. Wir erfahren dabei ganz andere Dinge über uns selbst. Es ist etwas Verbindliches darin, das sich jedes Geplapper verbietet.

Ich glaube, dass man in Briefen, die man schreibt, sich sehr gut nachspüren kann, und ich würde mich nicht wundern, wenn sich so manches Thema für einen Roman sich dem Verfasser erst durch einen Brief erschlossen hat. Genau so kann man kleine und grosse Projekte mit der Hilfe von Briefen auch tragen, begleiten und nähren.

Ja, wir sollten alle mehr Briefe schreiben. Weil wir darin immer auch uns selbst begegnen. Nie ist es leichter, sich erst zu überlegen, was man sagt. Darum ist es ja auch oft so schwer, Briefe wirklich zu verfassen. Was nicht gegen sie spricht, sondern für sie.