Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Schneeschipperlatein

∞  10 Februar 2010, 21:04

“Ich weiss nicht, was schreiben”, sage ich. Das kommt vor. Vor allem dann, wenn ich hier sitze und im Grunde schon ganz wo anders bin. Schreiben erfordert Gegenwart – oder wirklich Reisen. Das unstete Dazwischen ist Gift dafür.
“Schreib übers Schneeschippen”,meint die Liebste.

Innerlich, ich gebe es zu, gucke ich blöd. Nach aussen mache ich nur: “Ha!”.
Und dann schreibe ich übers Schneeschippen heute, obwohl ich weiss, dass dabei nur ein Abbild eines ganz, ganz alltäglichen Augenblicks geschildert wird. Wahrscheinlich schreibe ich tatsächlich genau deswegen darüber. Alltag ist alle Tage. Wäre doch schön, man würde mehr daraus machen. Neiiiiiiiin! Nicht mehr daraus machen. Einfach machen. Das reicht. Es geschieht dabei so viel.

Ja, ich weiss, ich konnte mich darauf einstellen. Der Wetterbericht war eindeutig. Schneeschippen mit Umsetzungsgarantie sozusagen. Und so lege ich heute also zwei Mal die Garageneinfahrt frei. Dabei spekuliere ich im Innern wohl ein bisschen darauf, dass morgen, bitteschön, bitte-bitte-bitte eine andere gute Seele sich erbarmt und ich nur mit meiner Liebsten ins Auto sitzen und hochdüsen kann… denn es ist, wie immer, oder wie fast immer: Winter ist es dann richtig deftig, wenn Thinkabout nach Frankfurt tuckert. Längst zwar mit dem Zug, aber bis zum Bahnhof ist’s eine gefühlte Viertelstunde zu weit mit Gepäck. Doch heute, jetzt, in meiner Geschichte, schippe ich also Schnee, statt dass ich noch ein paar Telefonate führe. Geschäftlich wichtige Telefonate. Jaaaah, richitge Pendenzen habe ich. Und gepackt hab’ ich auch noch nicht. Stattdessen also schippe ich Schnee. Er ist auch am Nachmittag wie am Morgen: So leicht wie trockenes Kaffeepulver. Auf 500müM ziemlich aussergewöhnlich, finde ich. Ich beobachte, dass ich es überhaupt nicht eilig habe. Ich kräusle schniefend die Nasenspitze hoch, kurz: Ich atme Schnee. Extensiv. Kalt ist’s, aber wenn man sich bewegt, fühlt man’s nicht. Ha, ich bin ein Mann der Tat. Der Nachbar mit dem Rückenschaden kommt. Hund Hardy trottet nebenher. Nicht mal die Scheeflocken mag er anbellen. Hardy schnuppert an meinem Handschuh und lässt es geschehen, dass wir über ihn reden. Seine Geschwulst ist gutartig. Hardy hat noch viel Hundeleben vor sich. Gott sei Dank. Kein Drama im Haus in Aussicht. Die beiden entschwinden lautlos wie schwebende Geister. Nachbar zwei fährt vor, der direkte Doppelnutzniesser meiner naturverliebten Schneeschipper-Selbstlosigkeit: Am Morgen fuhr er hinter meinen Schippkehren locker den Hang hoch, nun rutscht er runter. Gefährlich schräg. Sorry, aber gesalzen habe ich noch nicht. Aber Nachbar 2 bleibt ganz entspannt. Er telefoniert beim Rutschen. Auch sein Leben scheint einigermassen in Butter zu sein. Der Tag war in Ordnung. Und ich bin fertig, klopfe mir den Schnee von den Schuhen und geniesse das warme Ziehen in den Augenlachfalten, als ich an die Wärme komme.
Da siehst du gewisse Nachbarn Monate lang nicht, und dann… und alles wegen diesem Schnee. Oder auch nicht. Gelegenheit zur Nachbarschaftshilfe ist schön – und wenn es dabei auch darum geht, die immer gleichen Abwesenden zu kompensieren. Und übers Jahr gleicht sich alles aus. Wer dem Schnee schippen nichts abgewinnen kann, wer womöglich einen kaputten Rücken hat und deshalb unmöglich… wenn er auch wollte… Stimmt. Ich kann das Bedauern verstehen. Obwohl ich behaupte, die wissen nicht wirklich, was ihnen entgeht.