Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Richtige Regeln, aufrichtige Fairness, unschuldige Begeisterung

∞  26 März 2011, 17:48

Es gibt so wenige einfache Lösungen. Wir sind in so vielen Sachzwängen verstrickt. Wenn gleich Fussball angesagt ist – dann los!


Ich schaue mir im Internet in der ZdF-Mediathek die letzte Talk-Sendung von Majbritt Illner an. Ich sollte es eher eine Brüllsendung nennen… Immer wieder staune ich über die Fähigkeit der Politiker, sich gegenseitig über den Mund zu fahren und dem andern gleichzeitig vorzuwerfen, selbst nicht ausreden zu können. Diskutiert wird über die Stimmenthaltung von Deutschland im Sicherheitsrat bei der UNO-Resolution für Libyen. Für Libyen? Was tun, wenn der Karren im Dreck sitzt und man ihn nicht rauskriegt, ohne sich dreckig zu machen – wobei offen bleibt, ob man ihn raus kriegt. Nur der Dreck ist sicher. Aber: Wie hätten wir uns gefühlt, wenn wir rapportiert bekommen hätten, wie Gaddhafis Truppen den Widerstand niederwalzen und dann Rache nehmen?

Krieg ist eine verdammt schmutzige Sache – und im Grunde gibt es immer nur Verlierer. Nur interessiert uns das immer erst dann, wenn wir das Dilemma geschaffen haben… Wenn mich nicht alles täuscht, ist Deutschland nach den USA und Russland der drittgrösste Waffenexporteur der Welt. Da kann man sich im feinen Tuch nur bedingt als der feine Herr maskieren. Die Dame im Hosenanzug kriegt das auch nicht besser hin.

Und die Sache mit der Kernkraft, und dieser Dings, dieser Radioaktivität. Wie lange ist Tschernobyl her? Zwanzig Jahre? Eine gefühlte Ewigkeit. Aber es gibt keine wirklich gesicherten Daten über die effektiven Strahlenschäden. Es ist eben was verflixt Verfluchtes mit dieser Langzeitbilanz, die wir doch eigentlich gar nicht haben wollen. Und unsere schöne Schein-Informationsgesellschaft wird vor allem von Desinformationen beeinflusst, wie mir scheint.
Der gemeine Mensch behält nur eines: Das diffuse Gefühl, überfordert zu sein, und es – im Gegensatz zu seinem Führungspersonal – auch nicht wegleugnen zu wollen. Oder zu können. Die Interessenlage ist auch eine andere. So halb wenigstens. Denn wenn wir “denen da oben” vorwerfen, dass sie mit unserem warmen Hintern Geschäfte machen, brauchen die dafür unseren bedingungslosen Anspruch, einen warmen Hintern behalten zu wollen. Koste es was es auch wolle. Auch Kernkraft mit Strahlkraft.

Wie gesagt, es ist zum Verrücktwerden, und will man die Dinge gerade rücken, muss man sie vereinfachen. Oder spazieren gehen an einen Ort, wo etwas noch nach allgemein gültigen Regeln funktioniert. Fussball bei den Knirpsen.
Dreikäsehochliga der lustvoll Begeisterten. Von mir aus auch noch der Willigen. Heisse Köpfe aber sind da nur aus sportlicher Anstrengung erwünscht. Ich gerate an den Spielfeldrand wie am Meeresufer angespültes Schwemmgut, aber ich bleibe hängen. Der kleine Torwart ist klasse. Furchtlos wirft er sich auf den Ball, mögen die gegnerischen Stollen auch bedrohlich nah sein. Wenn gefoult wird, werden die Spieler aufgefordert, einander die Hand zu geben. Ich höre immer wieder ein “Tschuldigung”. Als ein Stürmer liegen bleibt, stürmt der Trainer aufs Feld und begleitet den “Verletzten” höchstpersönlich an die Aussenlinie. Dramen dauern hier Sekunden, aber sie werden ausgelebt. Und weiter geht’s. Am Ende höre ich beide Trainer sagen: Ich bin stolz auf Euch. Ihr habt alles gegeben.
Gewonnen haben nur die einen. 5:1. Aber recht haben sie alle. Und für die Knirpse gibt es mindestens eine Stunde lang kein anderes Thema. Dann drängt der jugendliche Entdeckungseifer weiter, und in der Welt der Kinder gibt es so viel, was wir längst nicht mehr sehen. Mir fallen gerade die Väter auf, auf der Treppe hinter dem einen Tor. Es gibt Gespräche, Fachsimpelei über Gartenarbeit und das Abenteuer als Heimwerker. Aber wenn der Ball in Torraumnähe kommt, verstummt alles. Nichts wichtigeres gibt es auf dem Planeten als den nächsten Torschuss. DAS ist Freizeit, Befreiung vom Beruf, von Arbeit, Zwang und Stress. In diesen Stunden fällt alles ab. Und das eigentlich Wichtige bekommt Raum.

Und sagen Sie mir nicht, ich hätte nicht recht. Und genau deswegen können wir nicht anders: Wir sollten immer neu versuchen, die Dinge besser zu machen, einfacher zu bleiben, Phantasie zu behalten, Utopien zu denken. Und statt mehr Spielzeug kaufen, mehr mitspielen. Herrschaft, dass ich zwanzig Jahre nicht mehr gegen einen Ball getreten habe, hat mich ganz bestimmt nicht glücklicher gemacht.