Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Respekt für Arbeit

∞  12 Juni 2011, 18:45

“Wenn du Geschäfte machst, respektieren dich die Menschen mehr, als wenn du für sie arbeitest.”

Thierno Abdul Aziz Ly, afrikanischer Geschäftsmann


Ein Satz, hinter dem womöglich viel Lebenserfahrung steckt. Er hat mich heute, als ich ihn lies, geradezu angesprungen. Wie Recht der Mann hat! Leider. Ich erlebe das immer wieder, dass, wenn “ein Geschäft” vorbereitet wird, der Faktor Arbeit allerhöchstens “ein Kostenproblem” darstellt. Ich arbeite mit Gütern, für welche die Rechnung lautet, dass es billiger ist, die Ware von Deutschland nach Polen zu karren, da zu konfektionieren, und dann zurück zu führen. Arbeit – das ist eine Geldfrage.

Natürlich wird ein Produktionsstandort in Europa gerne ins Feld geführt, wenn es – zum Beispiel – um Nachhaltigkeitsfragen geht, oder die Qualität einer Ausführung hervor gehoben wird. Aber ob das jeweils gerechtfertigt ist? So manche Arbeit kann, gerade wegen des immensen Kostendrucks, gar nicht anders als Massenarbeit sein, wobei die Fehlertoleranzen steigen. Bei allen. Bei den Produzenten wie den Kunden, welche billige Ware wollen – für hohe Margen. Wo auch immer “die Arbeit” ausgeführt wird – auf ihr lastet der grösste Kostendruck der ganzen Wertschöpfungskette.

Der Angestellte müsste sehr oft sehr viel mehr der Mitarbeiter sein, statt nur der Arbeiter. Es ist etwas verkehrt in unserem gesellschaftlichen Wertesystem, dass die Art, wie einer “Geld macht” (in sich schon eine hochnäsige, die reale Wertschöpfung abwertende Formulierung, finde ich ), keine oder eine immer geringere Rolle spielt.

Noch etwas bedrückt mich dazu immer wieder: Der Ausspruch kommt von einem, der es geschafft hat, der auf der anderen Seite steht, die Feststellung nüchtern macht und als einzige Konsequenz sich keinerlei Illusionen macht über die Mechanismen, nach denen er nun einen Status einnehmen kann, der ihm ein angenehmes Leben erlaubt. Und also dreht er mit am Rad, auf der Honig-Seite. Es sind dies Katagorien, in denen wir denken. Hier wir, dort die anderen. Und dabei könnte man so viel bekommen für ein paar Zeichen der Anerkennung. Denn, und das ist das Paradoxe (oder auch das Gerechte?), geht es bei der Zufriedenheit bei einer Tätigkeit im Grunde nie um den Lohn. Er ersetzt in keinem Fall die Wertschätzung. Man stelle sich aber einen Arbeitgeber vor, der diesen Lohn gerne zahlt… Dann ist plötzlich auch “die andere Seite” gefordert, denn sie könnte ja einfach denken:
Wenn ich den Eindruck habe, der Chef bezahlt mich gern – bezahlt er dann nicht zu wenig?

Auch Respekt und Anerkennung sind immer nach allen Seiten geschuldet.