Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Regelwerk Natur

∞  28 Juni 2010, 15:07

Die Natur ist voller Regeln. Alles ist in Kreisläufen geordnet, jedes Überleben und jedes Sterben hat seinen Platz. Ich bin die letzten Monate immer wieder von Bekannten gefragt worden, ob ich zu Safari-Ferien raten würde?

Nun kann man Naturerlebnisse auch in hiesigen Breiten machen, aber wenn man ein bisschen Willen zur Achtsamkeit mitnimmt, mag es sich schon sehr lohnen, Wildnis einmal als das zu erleben, was sie ist: Wild. Und dabei so behütet zu bleiben, dass man nur die Anschauung geniessen kann, was es bedeuten möge, Teil dieser Natur zu sein.

Ist man das nämlich und begreift man sich als natürliches Wesen, so fragt man die Bedrohung, was sie denn von einem verlangt, um abgewendet zu werden: Wie muss ich mich verhalten, um zu überleben? Wer ist warum der Stärkere? Wie habe ich die beste Chance, zu überleben? Der Führer im Jeep wird zur Autorität – weil er in dieser Natur Teil dieser Natur ist, während ich ein entfemdetes, aus der Art geratenes Zivilisationskonstrukt bin. Zumindest empfinde ich das so.

In unserer Zivilisation haben wir aus der Natur unsere Welt gemacht. Wir leben nach Regeln, welche nur höchst entfernt etwas mit Existenzerhaltung zu tun haben. Wir nehmen Regeln je länger je mehr als Beschränkungen wahr, als Zugeständnisse an andere, von denen wir aber natürlich das Gleiche verlangen. Regeln sollen eine Art Gerechtigkeit gewähren. Wir begreifen Regeln nicht mehr als Leitlinien, als Lebenshilfen, die schlicht für sich selbst Sinn machen – und mir dienen, weil sie mir erlauben und erleichtern, in dieser von uns geschaffenen Welt Mensch zu sein. Erziehung stellt unser Regelverständnis auf eine ganz besondere Probe: Wie hartnäckig bin ich bereit, mein Regelwerk für mein Kind – oder eben scheinbar gegen mein Kind – durchzusetzen?

Wir geben uns diese Regeln je länger je mehr selbst. Sie sind nicht von Gott gegeben, oder eben der Natur geschuldet, sondern entsprechen der menschlichen Vernunft. Aber wie steht es mit dieser Vernunft? Hat sie eine Chance gegen das wachsende Anspruchsdenken, das überall dort zu wuchern beginnt, wo der Konsum die beherrschende Aktivität wird? Und wie wollen wir aus dieser Denke wieder raus kommen, wenn jede real werdende Bedrohung für sich nicht ausreicht, uns wirklich auf den Boden zurück zu holen?

Die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko ist ein wunderbares Beispiel. Alle unsere neuen Bedrohungen sind ein Spiegel: Wir fühlen: Es läuft vieles ganz gewaltig schief. Und wir ahnen: Wir sind in keiner Weise fähig, unser Verhalten wirklich nachhaltig zu ändern. Wirtschaftliche Notstände lösen den einzigen realen Korrekturreflex aus: BP entschädigit den Tourismus an Floridas Küsten für die Verdienstausfälle. Da ist sie, die Bedrohung. Zumindest in der Form, in der wir sie noch spüren können: Wir können den Kasseninhalt zählen. Ist das natürlicher Reflex genug, um die Welt zu retten, sie wieder als Natur und Erde zu begreifen?

Wahrscheinlich lächelt die Natur über solche Gedanken. Denn sie denkt in ganz anderen Zeiträumen, als sie dem Entstehen und Vergehen des Menschengeschlechts möglich sind. Auch dies dürfte eine Regel sein. Eine sehr beständige.