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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Quengelware und andere Herausforderungen für den Detailhandel

∞  3 September 2014, 18:07

Der Begriff ist so passend, weil anschaulich: Die Auslage im Kassabereich beim Detailhändler wird Quengelware genannt: Kinder, die mit ihren Müttern warten, werden dadurch animiert, nach Kaugummis, Schleckwaren und Plastikspielzeug zu betteln – und manchmal kann so ein Anstehen an der Kasse dann einfach zu lange dauern…

Als Detailhändler begannen, so genannte Familienkassen einzuführen, die ganz bewusst frei von Quengelware gehalten wurden, und sie darüber auch berichteten, trug ihnen das Lob ein, auch von Konsumentenschutzorganisationen und Elternvereinen. Dein Freund, der Detailhändler: Ein schöner Marketingerfolg mit dem Ansinnen, Kompetenz, Partnerschaft und Fairness rüber zu bringen.

Nur, mit der Stringenz dieses Handelns ist es so eine Sache… denn mittlerweile ist es ebenfalls eine Errungenschaft des Ladenmarketings, dass es an Haken platzierte Minpackungen von Kartoffelchips gibt – und die können dann bei den Papeteriewaren hängen, zum Beispiel in den Wochen vor dem Schulanfang…

Es ist, wie mir scheint, ein grundlegendes Problem, das der Detailhandel kennt:

Für Discounter ist es viel einfacher, eine Grundbotschaft durchs ganze Sortiment beizubehalten: Was auch immer du, Kunde, bei mir kaufst, ist günstig, billig oder preiswert. Je nach Lesart und Preis-Aggressivität. Das klappt bei 800 bis 1500 Artikeln im Laden einigermassen gut.

Vollsortimenter haben es da deutlich schwerer. Vierzigtausend verschiedene Artikel werden nun mal nach den verschiedensten Kriterien ausgelobt, ausgewählt, präferiert, und die Summe der Möglichkeiten im Angebot führt zu einer Summe von Verkaufsargumenten, die sich teilweise widersprechen. So findet sich dann im Regal das nachhaltige Produkt neben der Discountware, die auf Nachhaltigkeit so ziemlich pfeift. Dazu kommt die Gefahr, dass das Produkt, welches das schlechte Gewissen beruhigt, eher zu teuer ist, weil es die Verluste der Billigstartikel kompensieren muss. Denn die liegen ja auch im schönen Laden mit den grosszügigen Auslagen und dem genügend zahlreichen Personal mit den einigermassen gerechten Löhnen. Nur in der Aussendarstellung ist das alles sehr schwierig: Wenn unter dem gleichen Firmenlabel besonders nachhaltig, billig, qualitativ hochwertig verkauft werden soll und man im Kundenmagazin zu jedem Thema Aritkel liest, so fragt man sich schon mal, wo denn die Linie bleibt? Die Lösung, dass man sich bei einem einzigen Retailer innerhalb des Sortiments für die eine Philosophie entscheiden kann, wirkt sehr viel weniger geradlinig als das Durchwegs-Einfachangebot des Discounters. Das liegt in der Natur der Sache, dennoch ist es manchmal erschreckend, wie viel Lockung in einem Angebot steckt, das einfach verführen will.

Und die überführten Verführer sind dann wieder die Zielscheiben für die Konsumentenschutzmagazine.

Und was machen da eigentlich wir Konsumenten? Eine Linie zu finden, ist da gar nicht so leicht. Und entsprechend werden wir von den Anbietern auch beurteilt. Was war denn nun zuerst? Die mangelnde Kundentreue beim Auftauchen der Discounter, oder der Verlust von Identität durch die Verwässerung im Angebot bei den Vollsortimentern? Die Diskussion ist so endlos wie die Frage, ob das Huhn zuerst da war oder das Ei. Ganz klar aber ist, dass das Huhn nur so lange Eier legt, wie diese gefragt sind. Danach wird daraus ein Suppenhuhn. Oder nicht mal das. Aber das ist ein anderes Thema, und wir können uns nur wünschen, dass sich die Angebote für Magen und Haushalt nicht weiter nach unten nivellieren.