Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Positiv erzählen. Positiv leben.

∞  30 Dezember 2009, 13:47

Ich mag in dieser Altjahreswoche wenig Tagesaktuelles aufnehmen. Gibt es überhaupt Aktuelles? Oder ist unsere Realität für einmal, in der letzten Woche des Jahres, eine, die tatsächlich nicht aus der Zeitung, dem Netz oder dem Fernsehen kommt?
Selbst die Mailbox ist einigermassen leer. Und Jahresrückblicke habe ich dieses Jahr noch keinen einzigen gesehen oder gehört – und wenn ein solcher mir über den Weg läuft, vermag er meine Aufmerksamkeit nicht zu fesseln.

Heute Mittag aber war ich begeistert, als im Radio auf DRS1 die Geschichte der rumänischen Waisenhäuser erzählt wurde. Wir haben alle die Bilder noch im Kopf von grossen Kinderaugen unter verlausten Haaren, die dem Fotografen aus rostigen Gitterbetten entgegen starrten. Da hat sich im Zuge der Annäherung Rumäniens an die europäische Gemeinschaft viel getan. Besonders wichtig, dass die Hilfe zu einer Verbesserung der Standards auch beim Personal vor Ort geführt hat. Klar auch, dass es noch viel zu tun gibt – aber es fällt offensichtlich auf fruchtbaren Boden. Es ist mehr als nur ein Anfang gemacht.

Eine posiitve Geschichte also. Und so mache ich mir mal wieder bewusst, wie viele Meldungen wir täglich verarbeiten, und wie wenige davon positiv sind. In den Jahresrückblicken ist das bestimmt nicht anders. Und in meinem Blog, fürchte ich, auch nicht. Darum wäre es schön, ich würde vermehrt von positiven Geschichten eingenommen werden, die dann hier auch auf die Seiten drängen. Und ich phantasiere mal eine kleine Runde lang: Ich stelle mir gerade vor, dass vielleicht Sie als Leser mir solche Geschichten erzählen, per Mail oder Gastbeitrag. Ein Wohlfühl-Blog, verkrampft auf positivem Kurs gehalten, würde deshalb aus diesen Seiten noch lange nicht werden. Zum Antrieb, einen positiven Beitrag für die eigene nahe Welt zu leisten, gehört aber auch die zurecht gerückte Wahrnehmung, dass sich die guten, die stimmigen und richtig angeordneten Dinge in unserem Leben nicht so bescheiden ausnehmen, nur weil sie meist verschwiegen werden. Wir sollten uns also durchaus bewusst machen, was Gutes geschieht und sich entwickelt, und auch davon reden.

Und wer dann über Gutmenschen lacht, dem lache ich ins Gesicht. Diesen Begriff hasse ich zutiefst, denn er steht für mich für unser völlig zerstörtes Verhältnis zu einer Form des Idealismus, die den positiven, verantwortlichen Beitrag des Einzelnen an ein Gemeinwohl bejaht – und nichts erntet als den Spott jener, welche als kopfgesteuerte Idealisten darin im besten Fall Naivität erkennen mögen. Das ist genau so verlogen, wie stets die Eigenverantwortung zu betonen, die von uns längst nur noch bezüglich unserer eigenen Lebensfähigkeit verlangt wird: Fallen wir niemandem zur Last, so haben wir unseren Beitrag an die Gesellschaft geleistet. Prosit Neujahr!

Ich wünsche uns allen andere Erfahrungen, und damit Begegnungen, bei denen Menschen, die dieser Norm nicht entsprechen, die Chance haben, Helfenden selbst zum Helfer, Schenker und Lehrer zu werden, weil Begegnung nie in einem Oben und Unten stecken bleibt, sondern immer zu einem beidseitigen Geben und Nehmen führt. Soziale Hilfe stiftet Frieden. Wird diese Hilfe nahe genug an den Menschen geleistet, kommt sie auch am richtigen Ort an und nährt damit einen echten Gewinn für eine Gesellschaft, die “sich” trägt, mit allen Gliedern, die zu ihr gehören.



abgelegt in Zugeneigt und Gesellschaft