Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Planen für die Zukunft, Leben in der Gegenwart

∞  26 Dezember 2011, 17:00

Gegen das Fehlschlagen eines Planes gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen.

Jean Paul


Meine Erinnerung an einen gütigen Mahner, dem nur die Gegenwart blieb, und der mir doch half, inmitten meiner Pläne immer nach mir selbst zu fragen – für meinen nächsten Augenblick.


Es ist lange her. Wir waren auf der Hochzeitsreise und freundeten uns dabei mit einem älteren Paar an, das sich ganz offensichtlich mit uns über unser Glück freute. Man tauschte sich aus, und bald erfuhr ich, wie unterschiedlich doch unsere Perspektiven waren: Er, der Architekt mit Krebs – und vor allem einer negativen Prognose – wir, das junge Paar mit Plänen, in denen natürlich nur positive Ziele vorkamen, von denen wir auch ganz frei erzählten. Da war keine Bitterkeit bei ihm und seiner Frau zu spüren. Sein Blick zurück auf sein Leben bot ihm ganz offensichtlich Grund genug, dem möglichen Hader über sein Schicksal die Gelassenheit eines erfüllten Lebens bewusst entgegen zu setzen. Er schien mit seiner Situation versöhnt, was uns sehr beeindruckte und ihm eine Ausstrahlung schenkte, die uns seine Nähe suchen liess, weil man sich in seiner Gegenwart dem eigenen möglichen Frieden näher fühlte.

Es berührt mich bis heute, seine Sorge für uns zu fühlen und die sanfte Mahnung zu hören, vom Leben nicht zu erwarten, dass es die eigenen Pläne erfüllen werde.

Wir schienen ihm ein bisschen unheimlich in unseren klaren Vorstellungen, wie wir uns Beruf, Beziehung und Auskommen vorstellen und dies formulieren konnten, und er hatte wohl die Befürchtung, wir würden für eine erhoffte Entwicklung unserer Verhältnisse das Leben in der Gegenwart verpassen.

Ich weiss noch heute, wie gut ich ihn darin schon zu verstehen glaubte, und wie eilfertig ich ihn bestätigen wollte:

Der Mensch denkt, und Gott lenkt,

heisst es.
Kann man die eigenen Pläne Wirklichkeit werden lassen, so hat man dies bestimmt oft und in grossem Ausmass der eigenen Disziplin, dem Einsatzwillen und der entsprechenden Geradlinigkeit zu verdanken. Es gehört dazu aber immer auch ein Umfeld, das einem in die Hände spielt – oder zumindest nicht mehr Steine in den Weg legt, als sich ausräumen lassen.

Darum waren für mich meine Pläne immer in erster Linie ein Ausdruck meiner Sicht auf meine Gegenwart: Was lässt mich welche Pläne schmieden? Was sind meine Werte, meine Prioritäten, welche Vorstellung habe ich von Glück, Sicherheit, Geborgenheit? Welche Anerkennung brauche ich – wie fest bin ich bereit, mich auf Menschen zu verlassen – auf den einen Menschen?

Wir alle können Pläne nennen, die sich zerschlagen haben. Und das wird auch weiter so bleiben. Pläne können aber angepasst und korrigiert werden, und das ist keine Schande. Es kann auch dem Realismus geschuldet sein, und wenn zum neuen, revidierten Plan die Akzeptanz der Umstände hinzu kommt, dann liegt darin auch keine Verschiebung des Lebens selbst auf später: Es ist tatsächlich wichtig, dass zu jedem Plan auch ein gelebter Umgang mit der Gegenwart gehört – und die Kunst, dem Moment stets die Gelegenheit zu geben, uns eines grundsätzlich Besseren zu belehren.

Heute schmiede ich gerne Pläne. Ich geniesse aber auch vermehrt den Umstand, einmal ohne Plan auszukommen. Ich kann meinen Reisebegleiter von damals, vor 25 Jahren, immer besser verstehen.