Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Offener Brief an Roger Köppel

∞  10 Januar 2012, 16:42

Herr Köppel,

wir haben lange mit dem Entscheid gerungen, ihn immer wieder verworfen, denn die Weltwoche gehört seit meinen Studienzeiten zu meiner Lektüre. Aber nun ist der Entscheid doch gefallen: Wir erneuern das eben zur Zahlung fällige Weltwoche-Abonnement nicht mehr.

Die Welt mag so grauenhaft sein, wie Sie und Ihr vom Zügel gelassenes Hetzkampagnen-Team es argwöhnen. Sie wird aber durch diese Art Journalismus, wie ihn die Weltwoche praktiziert, nicht besser. Ihr Wochenblatt fördert die Skandalisierung und Zoterei in Politik und Wirtschaft. Ihre Praxis hat mit seriös recherchiertem und die Persönlichkeitsrechte direkt Betroffener respektierendem Grundanstand nichts gemein.

Sie reizen in jeder Geschichte das juristisch gerade noch nicht sanktionierbare Missachten elementarster Anstandsregeln aus. Sie greifen anhand scheinbar offenkundiger Verfehlungen Einzelner jede Institution an, derer Sie habhaft werden können und scheuen sich dabei nicht, zwischen Faktum und Annahme nicht klar zu trennen. Seit der nicht erfolgten Wiederwahl von Bundesrat Christoph Blocher ist kein Element des Schweizer Staatswesens vor den destabilisierenden Angriffen der Weltwoche mehr sicher.

Würde zudem in der Beurteilung der Recherchierleistungen und Schlussfolgerungen, zu denen Weltwoche-Journalisten nach Ihren Gnaden offensichtlich berechtigt sind, das gleiche Mass auf Sie und Ihre Schreibstiftsoldaten angewendet, dann wären Bezeichnungen wie Gauner und Wortverdreher sehr wohl zu gebrauchen, und ich bedauere es schon fast, habe ich hier Skrupel, noch deutlicher zu werden. Die Art, wie Sie einzelne Funktionsträger aufs Korn nehmen und persönlich beleidigen, ist einfach unerträglich – und das System, das dahinter zu erkennen ist, muss entschieden bekämpft werden:

Die Formulierung eines Urteils über einen Menschen und seine Arbeit mag kritisch bis total ablehnend sein, wirkt sie aber vernichtend, so bekommen Sie und Ihresgleichen keinen Persilschein ausgestellt, wenn Sie am Ende wenigstens zu Teilen recht behalten. Ihre immer bewusst mit auf die Person zielende Berichterstattung vergaloppiert sich im hässlichen Echo der Verunglimpfungen. Ich wünsche gar nicht, dass man Ihnen mit gleicher Münze zurück gibt; der Schaden für die politische Kultur ist so schon immens. Ich wünsche mir, dass man Ihre Masche erkennt, ihr dezidiert entgegen tritt und im Übrigen zusieht, wie Sie sich allmählich an Ihren Lesern vorbei an einen Ort vergaloppieren, wohin Ihnen diese nicht mehr folgen werden.

Wir mögen Ihren Journalismus nicht länger unterstützen, genau so, wie wir es absolut unerträglich finden, mit einem Zeitungsabonnement einen “Verleger” zu unterstützen, dessen Investoren im Hintergrund bis heute nur vermutet werden können. Für ein ständig nach Transparenz schreiendes Blatt ist das der Witz schlechthin.

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