Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Nicht so direkt wirklich Demokratie

∞  24 April 2013, 17:05

Demokratie – ein Wort, manchmal wie ein Glaubensbekenntnis. Kriege werden geführt, um einem Land die Demokratie zu bringen. Zumindest scheut sich mindestens ein Protagonist nie, das allen ernstes so zu sagen. Doch wie weit her ist es eigentlich mit Demokratie, was verstehen wir darunter? Und wenn es mehr davon geben soll – wer bestimmt das eigentlich, wer weiss es und wie soll dieses Mehr aussehen?

Demokratie ist ein Wahlrecht. In den meisten Demokratien, die sich so nennen, beschränkt sich die Teilnahme des Bürgers am Auswahlprozedere für die Regierung, die sich dann alle vier Jahre um die Wiederwahl bemüht – und dazwischen wenig bis keine Rechtfertigung ablegt. Das tatsächliche passive und akive Wahlrecht für alle ist keine so geringe Errungenschaft, genau so wie das Recht, Parteien zu gründen. Dass damit schon einiges bewegt werden und die politischen Lager sich anders thematisieren können, haben wir erlebt, mit den Grünen nachhaltig, mit der Piratenpartei vielleicht weniger, mit den Grünliberalen und der BDP in der Schweiz weniger spektakulär, aber gleichwohl belebend.
Und das Bewusstsein für die Notwendigkeit oder Wünschbarkeit der Gewaltentrennung ist zumindest vorhanden.

Aber ist das Demokratie? Und ist denn die Skepsis nicht nur der Politik sondern grosser Teile der Presse in Deutschland und Österreich gegenüber den Forderungen nach mehr diretker Demokratie nicht in höchstem Mass irritierend? Der Wähler, der ein Kreuzchen macht alle vier Jahre, ist zu dumm oder zu unverantwortlich, um über Sachentscheidungen befinden oder gar konkrete Begehren stellen zu können, die am Ende auch noch umgesetzt werden müssten?

Verfolgen wir Schweizer diese Debatten – oder Kommentare über Abstimmungsergebnisse bei uns – so wird uns schlagartig bewusst, wie unterschiedlich unser Demokratieverständnis ist – und wie segensreich eine jahrhundertelange Tradition, in der ein Mehrparteien-Bundesstaat mit starker föderalistischer Prägung diese Kultur der Meinungsbildung und Sachentscheidung über viele Generationen ausbilden und verfeinern konnte.Der selbstverständliche Reflex, dass zu grundlegenden Entscheidungen auch von gewählten Volksvertretern die Meinung des Volkes einzuholen und dann umzusetzen sei, ist nirgends sonst ausgebildet.

In Österreich ist gerade ein Volksbegehren NICHT zustande gekommen, das mehr direkte Demokratie forderte. Tatsächlich haben sich so wenige Bürger zur Unterschrift bequemt, wie noch nie in der Geschichte der Volksbegehren. Und die Parteien, offiziell Hüter der Demokratie, reiben sich insgeheim die Hände, nicht ohne zu betonen, dass es mehr Mitbestimmung für die Bürger geben müsse. Ein erster Vorschlag liegt auch schon vor:
Es sollen Volksbegehren möglich sein, die dann auch verbindlich vorgelegt werden müssten (!), wenn 650’000 Unterschriften dafür beglaubigt würden.
In der Schweiz werden dafür 100’000 benötigt, und wir haben eine nicht viel gernigere Bevölkerungszahl wie Österreich. Je höher diese Unterschriftenzahl als Hürde ist, um so mehr Geld wird benötigt, um eine Kampagne zu führen – dies nur als einer der zusätzlichen Stolpersteine, wenn es darum geht, sinnvolle Wege aufzuzeigen. Und, wie gesagt: Wer hat nur schon gelernt, den Bürger “richtig” zu fragen, was er denn selbst will? Wer überwindet den Reflex, es ihm vorsagen zu wollen? Hier wären wieder die Medien gefragt, welche diese Debatten anstossen müssten, die richtigen Fagen stellen und die Überheblichkeit überwinden sollten, das einzig intellektuelle Gewissen des Staates sein zu können.