Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Nachgedanken: Zeitgeist im Wandel

∞  12 September 2014, 23:43

Für einmal einfach ein paar Gedankenschnipsel dieses Abends, die so schön zeigen, in welchem Spannungsfeld wir leben – heute scheint nicht nur jede Generation ein neues Gesellschaftsleben zu kreieren – schon die sich folgenden Jahrzehnte lassen sich fast nicht mehr mit einander vergleichen. Und doch gibt es Personen und Haltungen, die sich über Generationen hinaus unserer Aufmerksamkeit sicher sein können.

Wir schauen Davis-Cup im Tennis – die Schweizer Wawrinka und Federer kämpfen als Nummern vier und drei der Welt um den Einzug in den Final dieses Team-Wettbewerbs. Für die Schweiz haben wir eine einmalige Konstellation mit zwei absoluten Top-Spielern in einer Weltsportart, und mit einem Weltstar, der das Tennis verkörpert wie vielleicht kein zweiter Sportler seine Sportart zu repräsentieren vermag. Die Ausstrahlung von Federer wird weit über seine aktive Karriere hinaus Bestand haben, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch danach seinen Sinn für den sicheren, gehaltvollen Auftritt bewahren wird.

Dann diskutieren wir über GeriGate – Geri Müller, ein Schweizer Politiker, Nationalrat und Stadtpräsident, gerät ins Stolpern, weil seine Adonis-Selfies, die er seiner Chatbekanntschaft aus den Amtsräumen gesandt hat, in die Öffentlichkeit geraten sind. Ist er nun Opfer oder Täter? Wir stellen fest, wie unterschiedlich die Generationen mit dieser Konstellation umgehen. Dass überhaupt Fotos privat unter einander verschickt werden, ist für viele Jüngere unter uns keine Frage mehr. Kommt vielleicht noch darauf an, was für welche. Die eigentliche Täterin ist für sie aber die Frau, welche die Bilder an die Öffentlichkeit zerrt – und zwielichtig sind die Journalisten, die das vorantreiben. Das sehe ich auch so, aber interessant ist der Umstand, wie unterschiedlich die Reaktionen über das Ereignis an sich sind. Die Jungen pflegen ihre Freundschaften heute über viel grössere Distanzen dank aller aktuellen digitalen Mittel – verantwortungsvoller Umgang ist aber sehr wohl auch für sie ein Thema. Amtsräume? Nun, andere pflegen ihre Liebschaften im von der Firma finanzierten Hotelbett. Oder im Büro. Wo ist der Unterschied? Entscheidend dabei ist wohl genau das: Dass wir Respekt bewahren. Für andere Ansichten, für die Privatsphäre, auch von Politikern, und auch für jene, die Müllers Verhalten absolut nicht goutieren – der grundsätzliche Respekt, den wir hochhalten sollten, muss in jedem Fall die Privatsphäre schützen: Wir sollten uns hüten, hier nur mit der Moral zu argumentieren – es könnte sich bei anderer Gelegenheit gegen uns wenden. Was wir ganz bestimmt nicht goutieren müssen, ist Doppelzüngigkeit: Wenn ein Politiker das eine predigt, und das andere tut, dann disqualifiziert er sich. Hier aber wird er als Ergebnis seiner Unvorsichtigkeit demontiert, ohne dass man ihm Erpressbarkeit vorwerfen könnte. Entsprechend kämpft er um sein Amt. Ob es Sinn macht, kann ich nicht beurteilen. Wir sollten nur sehr vorsichtig sein mit dem, was wir verurteilen, um es umgekehrt hemmungslos zu konsumieren…

Und auf dem Heimweg hören wir den Boss Bruce Springsteen. In der Wunschkonzert-Sendung Nachtexpress – die, gefühlt, schon von unseren Eltern in deren jungen Jahren gehört wurde. Und Springsteen gab es wohl damals schon, so kommt es einem vor. Und er gibt alles. Immer. Er verkörpert seine Musik, ist authentisch, und als Zuhörer in seinen Konzerten hat man das Gefühl, dass er genau für dich singt. Und zwar bis zur Erschöpfung. Mit Herzblut. Noch einer kommt mir in den Sinn, auf den das zutrifft, mit ganz anderer Stilrichtung: Udo Jürgens. Jawoll.

Tja, bei solchen Personen und deren Schaffen fällt Respekt nicht schwer, selbst wenn man deren Musik nicht absolut mögen sollte. Die Heimfahrt ist leicht, das Auto gleitet durch den Regen, die Musik perlt auf der Haut, wie der Regen auf der Scheibe, und ich freue mich aufs Bloggen. Bloggen? Es scheint eine Ewigkeit her, dass dies populär wurde. Und ist doch so kurze Zeit erst ein Begriff.

Wie lange noch?