Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Nachbarn

∞  19 August 2007, 20:10

Als er mich anschrieb, freute ich mich – wie jedes Mal – nur schon, seinen Absender in der Mailbox zu erkennen. Und als ich sein Anliegen las, gesellte sich noch freudige Überraschung dazu.

Unkonventionell ist er, aber das meine ich als Kompliment. Er ist so herrlich anders, so unverblümt und doch emotional und herzlich in seinem ganzen Empfinden, und so kreativ in seinem Schreiben, fotografieren und malen, dass er wunderbar ansteckend auf mich einwirkt. Nie ist meine eigene Sprache unbeschwerter und unkonventioneller, fröhlicher und phantasievoller, meine Diktion und Satzstellung einfacher und direkter, als wenn ich PAZ schreibe. Er steckt mich an. Und mit nichts liesse sich einfacher zeigen, dass er Ausstrahlung hat auf mich.

Noch habe ich ihn nie persönlich getroffen. Aber wir Beide wissen, dass es dazu kommen wird, und wir freuen uns darauf. Und nun, da er vom Stadtsiedler zum Landei geworden ist und sich ausgerechnet in M. angesiedelt hat, wo ich selbst aufgewachsen bin, erst recht.

Und nun also erfahre ich ganz direkt und unverblümt: PAZ sitzt auf dem Schlauch. Er vermisst das Bloggen. Paul Anton Zorn, wie er ausgedeutscht heisst, ist kein Dorftrottel, auch wenn er sich im Netz gerne mal so genannt hat. Oh nein. Geistig anregendes Bloggen mit Witz und Herz war für ihn mal DIE Ausdrucksform, bis alles einfach etwas zuviel wurde und Real Life in einer Art Retro angesagt war.

Und jetzt schreibt er mir, und fragt, ob er bei mir von Zeit zu Zeit vielleicht was bloggen dürfte?
Da muss ich nicht überlegen. Und doch muss ich es. Denn zuerst will er quasi bloggen auf Befehl. Ein Thema soll ich ihm vorgeben, und er liefert dann. Weil er sonst einfach den Kopf viel zu voll habe von Ideen und sich nicht entscheiden könne, schreibt er. Also tue ich ihm den Gefallen, und hier folgt das Ergebnis.

Was mich, das sage ich auch noch vorausschickend, am meisten berührt: So, wie ich mich von Dir, lieber paz, anstecken lasse in meinem Schreiben an Dich, fügst Du Dich hier in dieses Blog ein und wandelst Deine Sprache. Und doch erkenne ich Dich in Deinen Zeilen. Ich danke Dir sehr für Deine Frage und würde Dir gerne einen Ort schenken, an dem Du Deine nächsten Schritte erproben kannst!

Nachbarn



Welch ein vermaledeites Thema: Nachbarn!
Erschreckend!
Furchtbar!
Spannend!
GrossArtig!
Machbar! Nachbar.
Stell mir Deine Nachbarn vor, und ich sage Dir wer Du bist!

Ich bin mein eigener Nachbar. Stehe öfters neben meinen Schuhen, wie meine Nachbarin es neben meinen Füssen täte,
bin öfters ausser mir! Also nicht ich selber! Ich, mein Nachbar!
Sehe mich von ausserhalb, Sapperlott!

Meine Haus-Nachbarn? Nicht der Rede wert. Alles freundliche Leute! Sechs Wohnungen, sechs Lebensgeschichten, die man hier zwar breitschlagen könnte. Tu ich aber nicht! Easy.

Zuunterst die beiden alten Frauen, in den Achzigern und Neunzigern (sehr symphatisch), in der Mitte links die Serben-Montenegriner mit Kind (sie “klauen” mir jeweils einen Teil meiner Waschküchenzeit. Aber eben, Kinder machen die Hosen voll, und die vollen Hosen wollen gewaschen werden!)

Rechts die Krankenschwester aus den Niederlanden, welche
freundlicherweise ihr Schlafzimmer zügelte. Es lag direkt unterhalb
meines Wohnzimmers. Und bei Besuch, der nie ohne Musikmachen oder -hören vorbeigeht… Sie können’s sich vorstellen.

Was sich wohl die Architekten 1960 dabei gedacht haben?
Oben die beiden süssen jungen Mädels der Wohngemeinschaft.
Ihr Wohnzimmer, neben meinem, ist spartanisch eingerichtet. Ein
Fest-Tisch, zwei Fest-Bänke, ein Telefon. Natürlich verstehe ich jedes telefonierte Wort, es hallt dermassen.
Easy.
Wenn sie Feste feiern, und das tun junge Leute ja öfters, verziehe ich mich einen Raum weiter. Das funktioniert, und ich bin weg vom Internetz, und mache Kunst.

“Du sollst Deinen Nachbarn lieben wie Dich selbst”, heisst es in den zehn Geboten. Und überhaupt ist das alte Buch, Bibel, und Buch der Bücher genannt, voll von Anspielungen, was man mit
Nachbarn tun soll, und darf, und was nicht.






Der grosse Unterschied zwischen Social Networking und Nachbarn ist, dass Social Networking anonymer stattfindet.

Nachbarn hat man körperlich direkt vor der Nase. Man kommt mit ihnen aus oder nicht.

Nachbarliche Verhältnisse sind ein Prozess. Ein Prozess “of trial and error”, von probieren und Irrtum. Man nähert sich gegenseitig an, mehr oder weniger vorsichtig. Der Idealfall ist dann erreicht, wenn man toleriert, und tolerieren lässt.

Wir haben sie alle (fast) gesehen, die YouTube Videos, wo’s Nachbarn zur Spitze treiben. sich gegenseitig weh tun. Oder im amerikanischen Fernsehen, die Jerry Springer Show, wo sich Nachbarn vermöbeln. Streiten sich Zwei, freut sich der Dritte (oder eine viertelmillion Zuseher).
Auch deutschsprachige Fernsehsender (Private) steigen auf diese
Eisen-Bahn. Sind diese Leute, welche da gezeigt werden wahrhaftig? Ist es wahr, oder gespielt?

“Der Mensch sei edel, hilfreich und gut!”

Wir Menschen haben (fast) alle die Kapazität, uns in andere Menschen reinzufühlen. In ihre Freuden und Sorgen, in ihre Höhepunkte und Tief-Flüge. Zu teilen und mitzuteilen.
Weshalb tun wir es so selten?

paz




Bildquelle: borer-cartoon.ch



Ablage: Gastbeiträge und Zugeneigt