Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Muttertage

∞  7 Mai 2009, 17:36

Ich fahre mit dem Velo über die Felder. Während ich einmal mehr staune, wie schnell man mit so einem Drahtesel sämtliche Feldwege abgefahren hat, die man je entlang spaziert ist, und ich weiter den Segen von 24 Gängen an jedem leichten Anstieg ganz jungseniorengerecht zur Anwendung bringe, um ja nicht ins Schwitzen zu kommen, schelte ich mich selbst einen Trottel: Da steht dieses tolle Rad seit Jahren in der Garage und staubt vor sich hin. Dabei ist es wirklich ein Genuss, durch die Landschaft zu gleiten (Tempovorgaben siehe oben).

Vor mir breitet sich das Kulturland schachbrettartig aus, und die Senf- und Rapsfelder strecken sich schon vor Kraft strotzend nach noch mehr Licht gen Himmel. Die Sonne hat noch die Güte des Frühlings und ist von einer Wärme, welche erst ahnen lässt, wie heiss es bald werden mag. Der Fahrtwind kitzelt die Furchen meiner Stirn, ich entspanne mich noch mehr und nähere mich dem Daheim.

Eine Bank, die meist so nah am Wegrand steht, als möchte sie einen zur Rast nötigen, und doch fast immer unbeachtet leer bleibt, scheint sich nun auf die Wiese dahinter zurück gezogen zu haben, so eng und dicht stehen die wiegenden Senfgräser als schwimmender Teppich rund um diese Zeitinsel. Und vor dieser Bank steht ein Rollstuhl, dem Weg abgewandt. Die Frau, die darin sitzt, hat sich vornüber gebeugt und scheint gleich in die Senfblumen zu tauchen. Als ich näher komme, sehe ich, wie sich ihr Rücken krümmt und ein runzelig faltiger Hals unter einer Schirmmütze verschwindet. Sie scheint die Blumenpracht nicht zu sehen, nichts wahrzunehmen. Das Senffeld aber ist ihrer Begleiterin eine Freude. Diese Frau in meinem Alter sitzt vornüber gebeugt auf der Bank und hält die Hände über die Frau, um ihrem Kopf Schatten zu spenden. Es sieht so aus, als hätten die beiden Frauen die Köpfe zusammen gesteckt, um etwas auszuhecken, aber es ist nur die Jüngere, die auf die Andere zuzugehen vermag. Als ich vorbei radle, hebt sie den Kopf, und ein gelöstes Gesicht schenkt mir ein offenes Lächeln, das ich weiter trage und mit nach Hause nehme.