Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Momentan ist nur ein Moment

∞  15 September 2010, 20:18

Im Sport spricht man vom “Momentum”, wenn jemand einen Lauf hat und einfach alles zu gelingen scheint. Es ist diese Erfolgsphase, in der man die Welt erobern kann und die Dinge scheinbar mühelos gelingen. Es ist eigentlich nicht zu erklären, weshalb, aber die ganze Welt lacht Sie an und will mit Ihnen zu tun haben.
Und Sie spüren es, haben Zutrauen und sind gewillt, die Gunst zu nützen. Lange nachzudenken würde nichts bringen, denn es ist nicht wirklich erklärbar. Andere arbeiten auch, sind auch diszipliniert und besitzen ebenfalls Talente. Ich selbst bin auch der gleiche wie zuvor. Ich bin allenfalls wach genug, die Chance zu nützen und etwas daraus zu machen. Und ich kann versuchen, darob nicht überheblich zu werden. Denn, wie gesagt, wir reden hier vom Momentum, von einem Geschick der Zeit, welches mit der Zeit geht, wie es gekommen ist.

Und tatsächlich: Es gibt, glaube ich, keinen Begriff für das Gegenteil des Momentums. Wahrscheinlich, weil, wenn es mir abhanden kommt, es im direkten Vergleich einem anderen, einem Konkurrenten, zufliesst im sportlichen Wettkampf. Ich befinde mich nun allerdings in keinem Krieg und nicht auf dem Sportplatz, und eigentlich müssten die Dinge nur funktionieren, wie sie meist funktioneren. Nur wollen sie das gerade überhaupt nicht, und plötzlich geht alles schief, die einfachsten Dinge wollen nicht gelingen, obwohl ich doch alles ähnlich oder gar gleich und in der Folge noch aufmerksamer angehe als zuvor. Es gilt plötzlich der Spruch, dass bei dem, welcher kein Glück hat dann auch noch Pech dazu kommt. Es ist wirklich manchmal geradezu unheimlich, mit welcher Fülle das Geschick seine Sympathien scheinbar einseitig verteilt. Natürlich weiss ich, dass sich das alles ausgleicht mit der Zeit. Jede andere grundsätzliche Sichtweise bei Menschen ist etwa so ärgerlich wie der Tennisspieler, der jeden Netzroller zu seinen Ungunsten als Beweis der Ungerechtigkeit des Schicksal ansieht.
Und doch wissen wir Alle: Es gibt keine Parität der Schmerzensfülle, die einem Leben zugewiesen ist. Manche unter uns haben es wahnsinnig schwer und bekommen Aufgaben gestellt, die fast übermenschlich anmuten. Und daneben wird einer hundert Jahre alt und kennt Kranksein nur vom Hörensagen – oder eben vom Nachbarn.

Es gibt woh nur eine Gerechtigkeit: Da ist immer ein Weg, das eigene Los positiv anzugehen und sich der Aufgabe, die es klar und deutlich bereit hält, zu stellen.
Der Grad unserer Zufriedenheit ist nicht proportional zur Leichtigkeit des tieferen Seins. Wer im Momentum schwebt, hebt gerne mal ab und verliert die Bindung zu sich selbst. Wer in der negativen Spirale steckt, spürt dagegen vielleicht Widerstandskräfte, die er sich bleibend aneignen kann – mit neuen Zutrauen zu sich selbst.

Auf dass die Wogen und Wellen des Geschicks einem an keinem Ende als blosse Launen erscheinen, sondern immer als Helfer und Lehrer bei der Sinnfrage. So schwer es auch sein mag, manchmal, es bleibt uns immer die Frage gestellt: Warum? Auch im Momentum.