Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Moderner Ein- und Verkauf

∞  31 Juli 2007, 23:53

Da sitzen wir also nun. Unsere Preise sind zu hoch, sagen sie, die Damen, die uns gegenüber sitzen. Viel zu hoch. Dennoch sind wir zu einem zweiten Gespräch eingeladen worden. Von der Zentrale der Zentrale sozusagen.
Wir haben uns bewegt, wie man so schön sagt. Aber mehr gibt die Vernunft einfach nicht her, und die Fabrik, die lange produzieren kann, ohne kostendeckend zu sein, haben wir noch nicht erfunden. Und unsere Rechenmaschinen und Excel-Tabellen funktionieren genau so wie die anderer Kaufleute.

Im Reich der Phantasie vermuten wir die Vorgaben, die „die Konkurrenz uns macht“. Dann soll sie glücklich werden damit. Komisch nur, dass das Gespräch nicht abgebrochen wird. Unsere Qualität sei „schon gut“, aber eben, die Preise. Und so notiert mein Kollege beflissen und runzelt die Stirn, gerade so, dass es noch nicht unhöflich ist. Aber es wird eh nicht gesehen. Denn vor uns aufgebaut ist die Front der Laptops: Die Damen hacken das Gespräch direkt in den Computer, und zeitweise sehen wir über den aufgeklappten anthrazitfarbenen Computerdeckeln exakt noch einen Haaransatz…

Die neuen Kommunikationsformen sind noch nicht optimal genutzt, finde ich, irgendwie. Da ist mir die Assistentin am linken Flügel schon etwas lieber. Sie notiert zwar auch alles, aber fein säuberlich auf Papier.

Wir notieren derweil gar nichts oder nur das, an dem kein Weg vorbei führt: die Preisvorstellung, und dahinter in Klammern unser Limit. No way down under.

Warum wir nochmals hierher geladen wurden, drei Leute im Flugzeug anreisten, einer im Auto, wir wissen es nicht so genau. Wir kennen nun noch mehr Repräsentanten und haben doch das Gefühl, dass am Ende doch andere Entscheidungen treffen.

Dies ist keine Verballhornung oder Abstrafung unfähiger Mitarbeiterinnen durch einen frustrierten Verkäufer. Mein Kollege kennt diese Abläufe zur Genüge und ich bin hier mehr unterstützender Beobachter denn Besitzstandswahr oder Aquisiteur.
Wir alle sind nur die Rädchen im Getriebe, die geschmiert rotieren sollen, wie es der Uhrmacher eben vorgibt.
Und diese rituellen zweiten und dritten Runden werden vom System fast verlangt: Nur so lässt sich durch die Damen dokumentieren, dass man im Sinne der Firma das Beste versucht hat. Und je mehr „Optimierungsstellen“ für einen „koordinierten Einkauf“ geschaffen werden, um so zahlreicher werden die Runden…

Dabei bleibt im Ton und in der Sache stets aller Anstand gewahrt – und am Ende kommt wohl gar ein Geschäft heraus – 2008 oder so -, bei dem dann Preise akzeptiert werden, die zwar nicht Idealkalkulationen erlauben, aber einen netten Gewinn beim Händler und das Überleben beim Produzenten. Und so wird dann die Fabrik, siehe oben, immer noch stehen und prodzieren. Nur eben in ein paar Jahren nicht mehr in Europa, auch nicht in Osteuropa, sondern in China. Mit genau einem Europäer: Dem Betriebsleiter.


Original Cartoon: unshelved.com via wirelesslibrairies.blogspot.com