Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mit Kindlichkeit in der Zeit leben

∞  12 November 2009, 20:30

Eines meiner zentralen Themen ist in jedem Fall die Zeit und was wir darunter verstehen: Diese Ambivalenz in unserer Einstellung zu unserem Empfinden, dass diese Zeit stets fortschreitet, vergeht, entschwindet, dass sie nichts enthält, was wirklich festzuhalten wäre. Und unser Umgang mit dieser Wahrnehmung oder deren Verdrängung – daraus bestimmt sich die Zufriedenheit, die Orientierung, der Frieden oder die Unruhe, das Chaos, die Hetze in unserem Leben.

Heute kam mir der Gedanke, dass das Leben hier im Westen im Grunde klassische Phasen durchläuft , in denen wir einen ganz unterschiedlichen Umgang mit der Zeit pflegen: Unser Leben dauert immer länger, entsprechend lang ist mittlerweile die Phase, in der wir uns um unsere Vergänglichkeit nicht wirklich Gedanken machen. Im Alter ändert sich das, je mehr die Zeit, die vermutlich vor uns liegt, oder das, was wir darunter verstehen können, kürzer ist als jene, die wir gelebt haben und die vergangen ist.
Hier aber soll es für einmal wieder darum gehen, einen Blick auf die Kinder zu werfen, und auf unsere Kindheit, zumal auf die unbeschwerten Momente, die es darin hoffentlich gegeben hat: In diesen Momenten lernte ich als Kind Intuition. Ich imitierte Gesehenes und Gehörtes, machte nach, kopierte, und dann phantasierte, fabulierte ich. Alles, was ich entdeckte, weckte gleichzeitig die Phantasie. Ein gesundes Kind braucht sehr wenig, um spielen zu können. Spielsache kann alles um es herum werden. Nie wieder dürfte der Bauch so stark zu fühlen sein wie als kleiner Bub. Und die Zeit? Sie bringt ständig etwas Neues. Nie ist sie so sehr Gegenwart und nur das Jetzt, wie in diesen Jahren. Es scheint, dass das Kind Zeit genau so empfängt und ver-lebt, wie es sich immer wieder von einer neuen Entdeckung fesseln lässt. Und dann wieder kann es ganz “selbstvergessen” einfach wo sitzen, seiner Phantasie nachhängen und die Zeit vergessen.

Die Zeit ist keine Bedrohung. Im Idealfall gibt es nur das Er-Leben. Zeit ist die Abfolge der Ereignisse und es wäre ganz grauenhaft langweilig, würde sie nicht genau das tun: Vergehen. Es gibt sie dennoch immer, sie ist immer da, kommt immer wieder neu, und ich verschwende als Kind bewusst keinen Gedanken daran. Ich bin nur mit dem beschäftigt, was ich gerade in diesem Moment versuche. Wenn man etwas von mir will, muss man mich rufen. Ein Zeitgefühl, das mir einredet, dass es nun etwas Wichtigers gibt als das Plastik-Indianerpony, ist nicht vorhanden.

Was sollten wir uns und könnten wir uns für unsere heutige Zeit abkupfern? Wir haben schliesslich die Zeit einmal so erlebt. Wie, wenn es eine ausgewachsene, “erwachsene” Kindlichkeit im Umgang mit der Zeit gäbe, und dieses Vermögen, diese Fähigkeit wäre gerade hinter der nächsten Tür zu entdecken?

Sagen Sie mal: Was haben Sie eigentlich morgen vor? Oder, was machen Sie wahrscheinlich von neun bis zehn? Und was denken Sie, WIE werden Sie das machen? Wird es eine lange oder eine kurze Stunde werden, eine lebendige oder eine blasse? Und von was wird das abhängen?