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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Militärdienst oder Milizfolklore?

∞  6 März 2013, 13:15

Die Frage, ob wir eine Armee brauchen und welche, stellte sich für mich eigentlich nie: Die Maxime der politischen Neutralität bildete für mich geradezu die Quintessenz FÜR eine Armee: Wer die Neutralität glaubhaft leben will, muss auch jeder militärischen Einmischung selber versuchen Einhalt zu gebieten – denn jede Hilfe, die man in einer Bedrohungslage von vornherein einfordern müsste, würde jedes Bekenntnis zur Neutralität obsolet machen: Man fühlt sich Helfenden verpflichtet und man wird verpflichtet.

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Natürlich spielen solche Verhältnisse IMMER, wird Unterstützung und Gegenleistung erbracht, entstehen gute und eher kühle Relationen, erst recht in jeder akuten Bedrohungslage, mit und ohne Armee. Von vornherein aber keine Verteidigung leisten zu können, das war für mich nie ein Thema – weder gegenüber der eigenen Bevölkerung noch im Verhältnis zu Nachbar- oder Drittstaaten.

Und so pfleg(t)en wir also auch hier unsere Besonderheit einer Milizarmee mit einer allgemeinen Wehrpflicht, nach der theoretisch jeder junge Mann Militärdienst leistet. Die Wirtschaft begrüsste Junge mit Militärkarrieren, weil sie darin ein Indiz für Verantwortungsgefühl und Führungserfahrung sah, und die geknüpften Kontakte spielten ja auch im Zivilleben. Heute ist das ganz anders. Heute ist Militärdienst ein lästige Dispens und ein Mangel an Verfügbarkeit junger Kader in der Firma. Militärdienst wird zum Luxusvergnügen für andere und die Kaderrekrutierung in der Armee zum Problem. Wohin wir mit dieser auch bei uns aus Spargründen redimensionierten Armee wollen, wissen scheinbar auch die Politiker nicht so recht. An der Spitze steht ein zunehmend gleichgültig bis lustlos wirkender Bundesrat Maurer, und das Parlament ist zu äusserst wunderlichen Entscheidungen fähig, nach denen ich ihnen zurufen möchte:

So, wie ihr Militärdienst scheinbar versteht, ist das ein Kasperlitheater, und sich das nicht nur anzusehen, sondern auch noch darin mitspielen zu müssen, dazu kann man eigentlich niemanden verdonnern, oder?

Der Schweizer Ständerat hat es doch tatsächlich fertig gebracht, sich in der Debatte grundsätzlich positiv zur Beschaffung von gut zwanzig Kampfjets zu äussern, um dann in der Abstimmung das Geschäft an den Nationalrat weiter zu reichen, ohne die Mittel zur Beschaffung der Jets auch frei zu geben. Wie zu erfahren war, hat er – als Reaktion auf die kommende Volksabstimmung – gleichen Tags an der allgemeinen Wehrpflicht für Schweizer Männer festgehalten.

Freunde, ich will Euch mal etwas sagen: Wenn ihr in diesen komischen Klamotten irgendwo im Graben liegt oder theoretisch in einem Schulungsraum Krieg spielt, und Euch dann auch nur vorzustellen versucht, dass ihr das ohne taugliche Luftunterstützung durchspielt, dann wünscht ihr euch nach Hause. Mit anderen Worten: Sich eine Armee zu halten kostet ein Schweinegeld. Aber ein bisschen Militär geht gar nicht, denn das ist dann wirklich und wahrhaftig eine Missachtung von Menschenleben – der eigenen Soldaten. Und der Bevölkerung sollte man dann auch keine funktionierende Landesverteidigung vorgaukeln wollen.

Die politische Konsequenz der aktuellen Richtungslosigkeit könnte in einer weiteren Überraschung gipfeln und die Annahme von Initiativen bringen, welche die allgemeine Wehrpflicht abschaffen wollen. Dann ist dann das Geschrei gross, während ich heute schon feststelle, dass mich das, obwohl selbst durch dieses System gegangen und von der grundsätzlichen Tauglichkeit seiner Idee überzeugt, nicht bestürzen würde: Denn der Einsatz, der hier von jungen Menschen verlangt wird, ist hoch – und er wird ganz offensichtlich nicht länger von dem politischen Willen begleitet, mit dem man ihn auch rechtfertigen könnte.