Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Sind wir menschlich oder spirituell?

∞  8 Dezember 2012, 18:38

Wir haben Adventszeit. Die meisten von uns bilanzieren zu dieser Zeit allenfalls, wo sie denn mit den Weihnachtsvorbereitungen stehen: Geschenke schon eingekauft oder steht noch der Gang auf die Shoppingmeilen bevor? Die Frage nach Gott wird für immer mehr Menschen mit dem verwoben und verschliert, was Kirchen daraus machen. Religion wird zu einem “Etwas” für geistig Randständige, welche die Tatsache nicht ertragen können, dass da “nichts” ist. Nichts Beweisbares, nur naives Denken an eine Wesenhaftigkeit jenseits unserer menschlichen Existenz.

Derweil streiten wir uns über Schwangerschaftsabbruch, die Definition, wann denn Leben entstanden sei und der Tod eingetreten? Wir treffen in all dem Annahmen, bei denen für uns alle Ethos an die Stelle von Wissen tritt, weil die zu Hilfe geholte Wissenschaft empirisch so wenig dazu festhalten und nur den Stand der momentanen Unwissenheit anführen kann – von dem wir womöglich gar nicht wissen, wie unsicher er ist, wie angreifbar und durch spätere Erkenntnisse wieder zu korrigieren. Aber wir geben Antworten aus dem Drang, für das, was wir Leben nennen und selbst auch leben mögen, Verträge mit dem Schicksal abschliessen wollen.

In unserem Drängen nach Wissen und Eroberung, in der schieren Not, ein Flickwerk über die beschädigte Natur als Ganzes und über das kranke, vom Tod bedrohte Einzelschicksal legen zu müssen, entwickeln wir den Hochmut, zu glauben, wir könnten als sinnleere Kreaturen der Natur ihre innere Lebenskraft erhalten, wobei, bitteschön, dieses Leben uns selbst im Zentrum zu sehen hat. Alles andere können wir nicht akzeptieren, wir verdrängen das Ende, bevor wir es fürchten könnten.

Uns Menschen, die wir so unterschiedlich mit der Frage umgehen, wer wir denn sind, wo wir herkommen und hingehen, gebe ich gerne dieses Zitat weiter:

Wir sind nicht menschliche Wesen, die eine spirituelle Erfahrung machen. Wir sind spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen.
(Teilhard de Chardin)


Was auch immer man über Menschen mit einem spirituellen Bezug in Ihrem Leben sagen und denken mag, wie sehr man sie an sich heranlässt oder sich im Recht oder Unrecht über ihre Zwiespältigkeiten mokiert oder empört, so bleibt eines doch in allen diesen Lebensentwürfen bestehen:
Der tiefe Wunsch, sich im Einklang mit der Natur zu bewegen und vom Trost zu zehren, in der Beobachtung dieser Natur so manche Botschaft über das Geheimnis des Lebens zu erkennen – weil Lebenskunst genau dies ist: Teil der Schöpfung sein, Frieden zu schliessen mit der Tatsache, dass mir gegeben und genommen wird.