Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mehr Langeweile wäre schön

∞  3 März 2011, 10:32

Übe die Regungslosigkeit, beschäftige dich mit Untätigkeit, finde im Verzicht Genuss, und du siehst das Grosse im Kleinen, das Viele im Wenigen.


Laotse



Liest sich gut, nicht wahr? Typisch, wenn wir dabei denken: Das ist zwischendurch mal wirklich schön. Und wir denken uns eine entsprechende Pause in unserer Geschäftigkeit. Aber als grundsätzliches Prinzip erscheint uns das doch esoterisch, Wunschdenken für die philosophische Krabbelgruppe, fern aller Realität, in der wir doch zu schaffen haben, zu werken und zu leisten.


In der Realität nehmen wir die hier angesprochene Option nicht mal in Pausen wahr. Denn, was machen wir, wenn wir freie Zeit finden, wenn wir uns ein Zeitfenster freischaufeln können? Wir füllen es sofort. Und schauen, zum Beispiel, fern. Aber das ist hier nicht gemeint. Hier geht es nicht um ein Tun, sondern um die Einübung einer Haltung. Sinnvolles Nichtstun hat irgendwie mit harter Arbeit zu tun, wenn Sie so wollen (und um es im westlichen Wortslang zu verkaufen):
Wir können das doch gar nicht. Nichts tun in diesem Sinn bedeutet auch einmal nichts denken. Und schon bekommen wir ein Gefühl dafür, warum Laotse in diesem Zusammenhang von „üben“ und „beschäftigen“ spricht. Aber wenn wir das immer mal wieder wirklich versuchen, werden wir mit der Zeit eine Ahnung bekommen, die uns wie ein frischer Luftzug erscheinen kann:


In der Leere eines freien Kopfes liegt keine Bedrohung.


Nichts zu tun, sich zur Ruhe zu bringen, bis sie wirklich zum Zustand wird, widersetzt sich allen von uns eingeübten und anerzogenen Verhaltensmustern, und manchmal scheint es, als wäre die innere ewige Bewegung mit nichts zu stoppen. Aber diese Ruhelosigkeit, das ständige Hasten zum nächsten Gedanken – es musste einmal angestossen werden. Wir wurden so lange immer wieder in Bewegung gesetzt, bis wir selbst jede Verlangsamung mit Beunruhigung betrachteten.


Können Sie sich vorstellen, wie viel von ihrem Genuss schlichter Konsum ist, darauf ausgerichtet, freie Zeit zu füllen bzw. sich für überhaupt fehlende Zeit zu trösten?


Wenn ich erkenne, dass ich etwas nicht (mehr) brauche, kann der Verzicht darauf gar zur Freude werden.


Einen Spaziergang machen, statt mit dem Auto zum Shoppen fahren. Auf welcher dieser beiden Wege bin ich mir selbst näher?


Ich hätte Ihnen da eine Anregung, eine Prise Neugier anzubieten: Sie wissen gar nicht, was alles in einer freien Minute zu entdecken ist. Ohne dass sie auf Entdeckungsreise gehen müssen.


Was geschieht mit uns, wenn wir untätig werden, regungslos sein können und es zu geniessen beginnen, auf etwas verzichten zu können?


Was ist unser Grosses, das wir in all dem vermeintlich Kleinen zuerst entdecken? Und welche scheinbare Ödnis um uns wird zuerst farbig und bunt?


Ist grau keine Farbe?


Hat Nebel kein Gesicht?


Was wird aus der Ruhe, wenn selbst das Ticken der Uhr nicht mehr zu hören ist?


Ich wünsche Ihnen für den Rest der Woche mehr lange Weile.