Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mehmet Scholls Tanz auf dem schmalen Grat

∞  2 Juni 2012, 08:58

Mehmet Scholl ist der Fachmann für die Fussballmatch-Analysen in der ARD. Er trägt das Herz oft auf der Zunge. Das ist erfrischend. Und manchmal ein bisschen unkorrekt.

Ich habe ihn als Spielertyp gemocht, über seine Rolle im Mannschaftsgefüge war ich mir nicht immer klar. Der Abschied nach langer Bayern-Karriere war sehr emotional, ich erinnere mich an die Szenen im Stadion noch heute. Mehmet Scholl hat Karriere gemacht, keine Frage – auch wenn ihm die Teilnahme bei grossen Turnieren oft verwehrt blieb. Nun ist er Trainer geworden und Teil der neuen Nachwuchsarbeit beim FC Bayern. Und er ist Sportkommentator. Es bleibt oft nur sehr, sehr wenig Zeit für Analysen oder ein paar erhellende Sätze zu einem Grottenkick – oder einem grossen Spiel. Vielleicht ist das ganz gut, denn es ist durchaus erstaunlich, wie gut es Scholl oft gelingt, in dieser knappen Zeit doch eine glasklare Erkenntnis zu formulieren, aus der man durchaus vermuten kann, dass Scholl mehr Dinge in einem Fussballspiel auffallen, als uns gemeinen Liebhabern dieses Spiels.

Manchmal allerdings ist Scholl einfach auch der Fan und als solcher Anwalt einer bestimmten Art von Fussball. Das ist okay, darf aber nie gegen eine Person zielen.

Am Donnerstag nun hat Deutschland sein letztes Vorbereitungsspiel vor der EM gegen Israel 2:0 gewonnen – so weit so gut. Ich habe weder das Spiel gesehen noch Scholls Meinungen dazu gehört. Ich bin erst dazu gestossen, als der Spielbericht über Frankreich gegen Serbien angekündigt wurde – und der Moderator bekannt gab, dass Frank Lampard, Mittelfeldspieler von Chelsea London und der englischen Nationalmannschaft wegen einer schweren Muskelverletzung nicht an der WM dabei sein würde. Das Bedauern über diesen Umstand mochte Scholl nicht teilen und er wollte das partout auch nicht ernst nehmen. Das könne man doch nun wirklich nicht schade finden.

Offensichtlich wünscht sich Scholl, dass alle, die als Fussballverhinderer in München daselbst den Bayern den Champions League – Kübel geklaut haben, an der EM fehlen werden.

Verzeihung, Herr Scholl, aber Ihre Haltung ist komplett daneben: Gerade ein ehemaliger Spitzenspieler sollte wissen, wie zentral solche Turniere in der Karriere eines Fussballers sind, und welches Drama es bedeutet, wegen einer gravierenden Verletzung nicht dabei sein zu können. Zumal Frank Lampard durchaus nicht der hier so angefeindete typische Antifussballer ist, der nur Grätschen und Verteidigen im Kopf hat. Diese Haltung Scholls fällt komplett auf ihn zurück und ist komplett daneben.