Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mal rasch noch twittern, mailen, bloggen, xingen, freunden, poken

∞  1 Mai 2009, 18:50

Das Web ist ein Bienenhaus. Du bist ganz schnell überall und nirgends. Wir vernetzen uns. Knüpfen Kontakte. “Kennen” Leute, haben plötzlich “Freunde”.
Im besten Fall ist dabei maximal ein Mail ausgetauscht worden, oder man kann sich an einen einzelnen witzigen Twitter erinnern. Aber “es kann ja nicht schaden”. Also rein mit XY-Unbekannt in die Freundesliste bei Facebook oder wo auch immer.

Es dauert nicht lange, und man kann jeden Tag mindestens einmal davon lesen, dass jemand nun die eigenen Twitter-Einträge “followt” – und natürlich schaust Du dann nach – und blockst so jeden Tag irgend eine findige Firma, die meint, auf diesem Weg irgendwann irgendwas verkaufen zu können.

Geht alles ganz schnell, ist alles ganz intuitiv. Also, ich finde, das ist alles vor allem eines: Windbeutel-Schwenkerei.

Mir wird sich nie erschliessen, wie Geschäftsleute, die mit dem Netz und im Netz “geschäften”, arbeiten, wenn ich von ihnen pro Tag 30 Twitter-Einträge lese (lesen könnte), und erfahre, an welchem Kiosk ihnen in den Sinn gekommen ist, was sie jetzt wo vergessen haben und wen sie jetzt gleich treffen (wenn der oder die den Termin nicht vergessen hat). Okay, sie mögen up do date sein wollen und meinen, alle modernen Kommunikationsmittel erproben zu müssen.
Aber was, bitte schön, heisst das alles für die wirkliche Arbeit? Was geschieht wirklich (mit mir), wenn ich alle diese Datenströme verarbeite? Ich sondere sie ja nicht nur ab, ich muss sie vor allem auch verwalten. Ich bin ständig dabei, eine Triage vorzunehmen. Und komme – selbst mit einer rigiden Einschränkung meiner eigenen Teilnahme und einer deutlichen Selektion dessen, was ich erfahren will – schnell mal zum Ergebnis, dass 95% der Meldungen unerheblich sind. Damit meine ich: Nicht relevant für mich, nicht für das Verhältnis zum Absender, selbst wenn ich überhaupt eines zu ihm habe. Von Bedeutung aber ist es in jedem Fall für mein eigenes Arbeiten. Für meine Fähigkeit zur Aufmerksamkeit.
Sind Sie, sind wir Internet-Fuzzis überhaupt noch in der Lage, nur eine Sache aufs Mal zu tun?
“Mal rasch noch” – wie oft pro Stunde haben wir den Gedanken und wie oft verscheuchen wir ihn – oder eben auch nicht? Und was alles geht verloren, was wir eigentlich auch noch oder zuerst tun wollten?

Ich behaupte, dass wir alle Multitasker wider Willen sind – und dass die Qualität in der einzelnen Verrichtung brutal gelitten hat. Wir sind nicht bei der Sache. Wir sind immer irgendwo. Und damit meistens nirgends. Die neue Welt, die immer morgen schon die alte ist, ist eine schnelle Welt, und sie rutscht immer mehr auf einer glatten und seichten Oberfläche ins schnelle Vergessen.

Aber wehe, Sie sind nicht dabei!