Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Magischer Moment im Camp Nou

∞  17 Mai 2014, 23:07

Wir können über so viele Dinge lesen, die erregen, empören, enttäuschen – und sie sind ja auch beschämend, ärgerlich, peinlich. Aber es geschehen auch Dinge, die einfach nur wunderbar sind, die den magischen Touch echter Menschlichkeit und Grösse haben – und dann wünscht man sich, wünsche ich mir, diese Momente würden tausendfach verbreitet und wir würden es wagen, uns selbst hinzustellen und zu sagen:
SO wollen wir das sehen, selbst halten und das ist der Massstab, der gelten soll:

Entscheidende Runde der spanischen Fussballmeisterschaft. Der FC Barcelona, für viele der lange Zeit beste Fussballclub der Welt, spielt gegen den Arbeiterclub aus Madrid, Atletico. Real Madrid, der traditionelle Rivale ist schon vor dieser Runde aus dem Meisterrennen ausgeschieden. Nur noch ein Sieg im heimischen Stadion trennt Messi und Co. vor dem Titel. Und die Mannschaft geht auch in Führung. Doch in der zweiten Halbzeit bäumt sich Atletico auf, erzielt schnell den Ausgleich, hat Chancen zur Führung. Die letzten dreissig Minuten greift dann nur noch die Heimmannschaft an, die unbedingt gewinnen muss. Doch es gelingt nicht, das Spiel endet 1:1 untenschieden, und das bedeutet, der Gast gewinnt die Meisterschaft. Der kleinen Fankolonie begeisterter, jubelnder Anhänger von Atletico stehen achtundneunzigtausend enttäuschte Zuschauer in Barcelona gegenüber. Und dann geschieht das Magische: Die Spieler auf dem Feld gratulieren sich, sie heben die Hände über die Köpfe und klatschen – und die Zuschauer nehmen es auf, und innert kürzester Zeit spendet das ganze Rund dem Sieger Applaus und würdigt damit die Leistung eines Gegners, der den Titel aus dem Stadion entführen wird – aber über die ganze Saison genau diesen Respekt verdient hat. Was muss das für ein tolles Gefühl für die Spieler sein, wenn Gegner und gegnerische Zuschauer einem solchen Respekt erweisen! DAS ist Sport, und es spielt keine Rolle, wie viel Geld in ihm umgesetzt wird: Genau dies brauchen wir – auch in unserem Alltag, in allen Wettbewerbssituationen. Wir müssen mit Siegen und Niederlagen umgehen und beides akzeptieren können.

Wenn wir sehen, wie beschämend sich umgekehrt Schweizer Zuschauer in Schweizer Fussballstadien verhalten, und man sollte dabei nicht einfach auf die Anhänger eines einzelnen Clubs zeigen – das Problem besteht an vielen Orten – dann müssen sich alle Involvierten fragen, was bei uns im Fussball falsch läuft. Wir haben ein Erziehungs- und Abgrenzungsproblem, und so lange von Nulltoleranz gegenüber Chaotentum nur gefaselt, aber nicht danach gehandelt wird, werden wir keine Besserung erleben.