Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Macht und Gier in der Welt - aber daheim?

∞  7 Dezember 2010, 19:53

Wahrscheinlich haben es die meisten von uns nicht mehr präsent, aber wenn man es erneut erzählt, dann ist die Erinnerung schnell wieder da:
Die US-Administration Bush machte dem eigenen Parlament weis, Saddam Hussein würde Massenvernichtungswaffen entwickeln oder sie womöglich schon besitzen. Ausgerechnet der angesehene Colin Powell präsentierte das “Beweismaterial”. Es war der Anfang vom Ende seiner Polit-Karriere. Die Strippenzieher um Bush und Cheney hatten ganze Arbeit geleistet. Heute weiss die ganze Welt, dass der Kriegsanlass, die vermeintliche Notwendigkeit zum Einmarsch im Irak eine konstruierte Farce war.

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange wird in London verhaftet. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl vor, wegen Vergewaltigung. In Wahrheit handelt es sich um ein Techtelmechtel mit zwei Damen in Schweden, bei denen das Kondom nicht immer da war, wo es sein sollte, wobei es so scheint, als hätte das im entscheidenden Moment nicht wirklich jemanden gestört. Dass Beischlaf ohne Überzieher auf schwedisch mit Vergewaltigung übersetzt werden kann, habe wohl nicht nur ich nicht gewusst. Dass diese Episode wirklich für eine Interpolfahndung reicht, glaubt nun wirklich niemand.

Hier wird ein Feind des Staates mit fadenscheinigen Mitteln dingfest gemacht.
Angesichts dieses Vorgehens darf durchaus spekuliert werden, dass der Wikileaks-Chef ganz bewusst nach Schweden gelockt und reingelegt wurde – die eine Dame lud ihn für einen Vortrag ein, überliess ihm die Wohnung um dann doch keine eigene alternative Schlafgelegenheit zu finden, während die zweite Dame ihm am Vortrag selbst in Groupie-Manier erfolgreich nahe kam.

So kann man es auch lesen. Mehr oder weniger zwischen den Zeilen. Die Medien spekulieren nicht so freimütig, und das ist dem Berufsethos sicher auch geschuldet. Ich gebe hier die Gedanken wieder, welche die Leser beschäftigen dürften, die mir selbst kommen (müssen). Das Problem ist nur, dass die Presse selbst nicht die Kraft besitzt, mit genügend Nachdruck auf die Fragwürdigkeiten hin zu weisen, geschweige denn, ihnen auch noch nachzugehen.

Im Resultat schaffen die Akteure der Macht in dieser Situation eine ganz gefährliche Situation: Es wurde schon immer intrigiert, geputscht, gezockt und reingelegt. Aber es fällt auf, dass sich die Gierigen immer weniger Mühe machen, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Die Feigenblätter werden immer spröder und dünner.

Ein paar tausend Kilometer im Osten wird uns in Russland und China vorgeführt, dass es irgendwann gar keine solchen Mäntelchen mehr braucht: China straft schon mal rasch ganz offen Japan ab, indem es keine seltenen Erden mehr exportiert (Rohstoff für viele elektronischen Bauteile), während Putin schon mal Gasleitungen kappt und nur dann lächelt, wenn er weiss, dass sich alle bereits vor ihm fürchten.

Es wird kalt auf der Welt, und es könnte bald noch viel kälter werden. Im Hintergrund von uns in Weihnachtsstimmung kommenden Kaufwütigen tobt ein Beschaffungskrieg um Rohstoffe, der auch ganz kommune Materialien mit einschliesst: Die Preise für Baumwolle haben sich innert Kürze verdoppelt, Viskose erfährt ebenfalls laufend weitere Aufschläge. Energie? Niemand auf der Welt zahlt reale Preise für den Antrieb von Maschinen. Energie wird dort ausreichend verfügbar bleiben, wo der Staat in der Lage ist, alles dafür Notwendige zu kontrollieren. Die Preise steigen. Und bald könnte Trinkwasser knapp werden.

Negativ? Pessimistisch? Weltuntergangsstimmung? Es ist gut möglich, dass alle Prognosen über die natürlichen Ressourcen falsch sind, dass sich alternative Lösungen in der Energiegewinnung viel schneller umsetzen lassen, als gedacht. Aber: Das ist nicht das entscheidende Thema. Das wirklich Bedrückende ist die verachtende Schnoddrikgeit, mit der Umwälzungen erpresst werden. Scheinheilig oder ganz offensichtlich ist gar nicht so entscheidend. Und das Feuer, das man in den Unzufriedenen damit anlegt, könnte unter Umständen weiteren Kummer bringen.

Was tun? Ich habe keine bahnbrechenden Rezepte. Ich kann nur raten: Lesen, hören, sehen mit wachen Sinnen. Den Verstand gebrauchen. Und nicht meinen, die Welt wäre so klein, wie sie scheint: Wir erfahren heute, wenn in Peking ein Bus den Abhang hinab kollert. Wir beziehen Produkte, die weiter am Stück gereist sind, als wir es je selbst getan haben. Hergestellt von Menschen, die vielleicht keine Ahnung haben, wozu das, was sie produzieren, gut sein soll?
Dennoch: Die Welt ist grösser, als wir sie machen. Sie besteht auch nicht nur aus Markt. Sie wird aber durch den Umgang unter uns Menschen besser oder schlechter. Ganz ohne Zweifel. Und die engere Welt ist jene, die um uns herum ist. Sie ist nicht nebensächlich. Im Gegenteil. Sie ist zentral. Denn in ihr können wir Dinge beeinflussen. Ein Lachen kann wunderbar ansteckend sein. Ein Essen kann duftend durch die ganze Wohnung zu Tisch locken. Einem Freund könnte man gerade jetzt schreiben. Alles das, was natürlich versöhnlich erscheint, was den Ausgleich sucht und den Frieden, ist nicht utopisch. Es lässt sich nur nicht einfach so mit Worten ausstreuen. Es ist nicht Ideologie. Es ist Leben. Und gehört ins eigene Haus, die eigene Strasse, ins eigene Dorf. Es ist Teil der Menschen, bei denen wir Geborgenheit bekommen und schenken können.