Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Lesen und Schreiben

∞  17 März 2012, 19:25

Eindrücke von einer Schiffsreise: Viele Menschen auf nicht zu engem Raum mit viel Zeit für stille Gedanken.


Da ist auch Raum für Lektüre, für ein gutes Buch. Auffallend, wie viele Reisende mit Tablet-Computern oder Kindle- oder anderen E-Books unterwegs sind, die kleine oder grosse Bibliothek in der Handtasche. Gerade auch bei den älteren Damen hat sich diese Leseart durchgesetzt. Und auf der anderen Seite sind die Tagebuchschreiber. Auch sie gibt es nach wie vor. Auf Papier, an kleinen Computern, in der Internet-Ecke oder auf ausgewachsenen Laptops:

Es wird geschrieben – und Geschriebenes gelesen. Wenn ich feststelle, dass gerade für das Aufnehmen von Informationen per Lektüre moderne digitale Geräte sich in allen Generationen durchsetzen, so gehört dazu auch die Beobachtung, dass zu allen Zeiten der digitalen Revolution eines immer galt: Das Buch, die geschriebene Geschichte, die Abhandlung, der Roman, der Krimi, die Biographie – sie wandeln sich in der Form, in der sie gelesen werden, aber sie behalten einen zentralen Punkt in der Nachfrage und lassen sich eben auch digital verbreiten und vermarkten. Amazon ist mit dem Handel von digitalen Büchern gross geworden, das Lesen ist noch immer ein zentrales Bedürfnis zur Selbstfindung. Es dient der inneren Entschleunigung, nach der die Leser auf eine Gedankenreise gehen, die ihnen der Autor anbietet. Vielleicht reiben sie sich an ihm, vielleicht leiden sie mit oder an ihm, aber immer geschieht gerade beim Lesen die Suche nach dem eigenen Standpunkt mit der Auseinandersetzung einer angebotenen Gedankenwelt eines Mitmenschen im eigentlichen Sinn des Wortes:

Mich wird nur die Geschichte oder die Meinung eines Autors interessieren, dem ich attestiere, dass er mir etwas zu sagen hat: Wer die beste Meinung für sich gepachtet hat, der liest kaum viel. Wer aber nur schon nach den richtigen Worten für den eigenen Standpunkt sucht oder ein bestimmtes Lebensgefühl, der wird jene Autoren lieben, welche die Tür in einem selbst zu neuem Erleben oder Erkennen öffnen.

Lesen und Schreiben ist ein scheinbar einsamer Prozess, und es bleibt immer ein persönlicher Vorgang, der nicht wiederholbar ist: Nicht zwei Personen lesen ein Buch gleich, kein Autor würde eine Geschichte zweimal genau gleich schreiben, wir alle wandeln uns, aber in der Beschäftigung mit unserem eigenen Standpunkt und unserer Entwicklung ist uns das Buch und sind uns also Autoren immer wieder eine grosse Hilfe.

Wie viele Bücher auf der Hurtigruten gelesen wurden, weiss ich nicht. Aber es dürften ein paar hundert zusammen gekommen sein. Alle diese Menschen haben dabei tausende von Geschichten miterlebt, vor sich selbst bebildert – und Millionen von Gedanken gewälzt. Jeder hat für sich seinen Alltag wieder aufgenommen – aber einsamer ist niemand dadurch geworden. Vielleicht hat er ein neues Bewusstsein dafür entwickelt, aber alles, was er lesend zu ergründen suchte, war das Resultat einer Begegnung mit einem Mitmenschen, der mit seinen eigenen Nöten, Fragen oder Erkenntnissen schreibend eine Art Begleiter war – für eine gewisse Zeit, oder für einen lange nachwirkenden Mut für neue Entscheidungen.

Bücher erzählen vom Leben. Autoren auch. Leser auch. Denn jeder von uns hat ein Leben, das erzählenswert ist. Und lebenswert auch. Wenn Sie jetzt für Ihr eigenes Leben reflexartig widersprechen sollten, dann wäre das einerseits sehr traurig und anderseits grundfalsch: Ich wünschte Ihnen dann diese Erfahrung:
Einen Autor, der es versteht, einen nur kleinen Teil Ihres Lebens zu erzählen – er fände in jedem Fall Zuhörer oder Leser, die aufmerksam mehr erfahren möchten:

Es gibt kein unbedeutendes Leben. Bedeutend für uns selbst ist nicht zuletzt das, was wir selbst darin lesen können.