Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Lernen, was andere suchen, oder das, was ich wissen will?

∞  4 Dezember 2012, 17:28

An den Perspektiven, der Fokussierung und den Unsicherheiten, denen sich heute Jugendliche gegenübersehen, lässt sich eindrücklich von uns Älteren erahnen, wie sehr sich die Voraussetzungen bei der Berufswahl, im Studium und zum Beginn der Berufslaufbahn verändert haben.


istockphoto.com/koun

Eine Generation zuvor galt ein dreissigjähriger Stellenbewerber, der schon vier verschiedene Jobs vorweisen konnte, als unstet; heute sieht sich ein Stellensuchender, der 20 Jahre in der gleichen Firma gearbeitet hat, dem Verdacht ausgesetzt, bequem zu sein und keinen Antrieb zu besitzen.

Früher scheuten sich Firmen, bei der Stellenbesetzung einen Fehlgriff zu tun und entsprechend viel Energie in Neubesetzungen stecken zu müssen. Heute suchen immer mehr Firmen die Personen, die sie kurz bis mittelfristig weiter bringen können – auf beiden Seiten ist die Perspektive, einen Job auf Lebenszeit zu finden, total in den Hintergrund getreten. Jeder zweite Vierzigjährige arbeitet nicht einmal mehr auf dem ursprünglich erlernten Beruf.

War früher der zweite Bildungsweg die Ausnahme, gehört heute die Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung zur Grundvoraussetzung einer Berufsvita, die gestaltenden Einfluss anstrebt. Kaderleute um die fünfzig sehen sich an einem erneuten Scheideweg: Beweisen sie nicht ihren besonderen Wert als Mix aus Erfahrung und einer nochmaligen aktuellen Spezialausbildung, riskieren sie, bei einem Kostensparprogramm in der Firma durch die Maschen einer Restrukturierung zu fallen. Dies alles hält die Menschen auf Trab, wohl in manchem Fall mehr, als es gesund sein kann. Womit sich junge Menschen, und das kann das Gute daran sein, vielleicht mehr als wir früher bei der Ausbildung danach ausrichten sollten, was Ihnen wirkliche Freude bereitet, wo sie ihr Herzblut einbringen können und sich begeistern mögen.

Die Zeiten, in denen man eine Ausbildung wählt, weil in dem betreffenden Gebiet gerade Fachkräftemangel herrscht, sollten vorbei sein: Erstens sind die Ausbildungen immer komplexer und damit nicht kürzer geworden, und zweitens stellen die Verschiebungen am Arbeitsmarkt Jobsuchende immer schneller vor neue Tatsachen. Und wenn wir wie Lemminge alle den Jobs in den Zukunftsbranchen nachrennen, dann ist ja auch Platz für den einen Töpfer, der es wagt, genau das gut können zu wollen, was ihm wirklich richtig Freude macht.

Ich mag leicht reden, ich weiss: Das Damoklesschwert der möglichen Arbeitslosigkeit hängt über den Jungen, wie wir es nie kannten. Aber wenn die Jungen schon von Anbeginn an “Drive” und “Flexibilität” zeigen sollen, “Anstrengung” und Leistungswillen – dann, bitteschön, doch bei etwas, das wirklich deren Ding ist. Wir Älteren sollten die Kids ermutigen, genau diese Vision zu verfolgen: Im gewollten Beruf gut zu sein und gesucht zu werden. Das Arbeitsleben ist zu dominierend, als dass wir hier von Anfang an zu viele Kompromisse machen sollten. Schreibt einer, der sein Studium “mit Vernunft” wählte, darin von ein paar Dingen, die ihm Spass machten, ein paar Brosamen picken konnte, der sich aber nicht wirklich für die Fachrichtung erwärmen konnte – und prompt das Studium schmiss, als sich der Weg auftat, den ich wirklich gehen wollte.

Das war damals schwer für meine Eltern – und ist es heute wohl um so mehr, weil diese verdammte Unsicherheit, dieser Druck so gross aufgebaut werden kann. Aber wenn nichts endgültig ist, so ist es auch nicht das Unglück, und es lohnt sich, dran zu bleiben, an seinen Herzensangelegenheiten. Schreibe ich. Aus der Überzeugung und Erfahrung meines eigenen Herzens.