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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Lernen trotz Langeweile?

∞  15 August 2008, 22:16

Von der Qual, ein Lehrling zu sein. Und vom Leben, das seinen Rhythmus finden muss, mit dem es sich ernähren kann.


Ich blicke in den Laden und sehe, wie eine Verkäuferin in gesetztem Alter eine Kundin berädt. Daneben, etwas zurück gestellt und doch nicht abseits, aber so weit weg, dass es eigentlich nicht reicht, um interessiert zu wirken, geschweige denn, um so viel mit zu bekommen, dass aus dem Vorgang etwas zu lernen wäre, stehen zwei Mädchen, Verzeihung, zwei junge Frauen, und schauen zu.

Ich denke unweigerlich, was ich immer denke, wenn ich zu meinem Friseur gehe. Auch dort schaut regelmässig eine “Lehrtochter” zu, aus der Distanz, unauffällig, aber seltsam verloren, etwas unglücklich wie mir scheint, dabei sehr freundlich und hilfsbereit. Nur gibt es nicht viel zu helfen, der Espresso ist schnell gemacht und die Brille mit Ultraschall reinigen, der neuste Gag, dürfte auch nicht Stunden füllend sein.

Ich denke, es ist nicht leicht, als junger Mensch in einer solchen Situation wirklich jeden Tag motiviert zu sein. Die Tage mögen ja – hoffentlich – auch nicht immer so aussehen. Aber öde können sie ja schon sein, denke ich. In sich hat man den Takt des eben entdeckten Lebens, und um einen herum breitet sich Ödnis aus.

Und doch geht es ja nur über Dich selbst: Alles dafür tun, dass die Lehre Schwung bekommt – und dann hoffentlich auch einen Lehrmeister haben, der das belohnt.

Die beiden Frauen hinter dem Schaufenster sind noch nicht so weit. Sie beginnen, mit einander zu schwatzen. Ich mustere den weiss glänzenden Hüftspeck, der der jungen Frau rechts zwischen Hosenbund und Shirtabschluss in die Leere des Ladens entgleitet, und ich sehe das graue Gesicht der erfahrenen Verkäuferin, die das Verhängnis einer gescheiterten Ausbildung schon längst bilanziert hat.

Es kann die Hölle werden. Für Beide. Die eine kennt sie leider schon. Die andere hat noch ein paar Chancen, eine bessere Kurve zu kriegen. Mit der Kleidung ist es nicht getan. Aber es wäre ein Anfang.

Ich gehe aber nicht hinein, keine Angst. Ich wäre kein guter Lehrmeister. Zumindest, befürchte ich, kein geduldiger.


[Bildquelle: Beratung für Bildung und Beruf, bifo.at ]




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Der Jugend gehört das Leben – wirklich?