Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Leistungsgesellschaft - und die Jungen?

∞  15 September 2013, 22:47

Selbst kinderlos, haben wir doch viele Freunde und Bekannte, deren Kinder nun ins Teenageralter kommen oder dort schon mitten drin stecken. Und ich glaube, uns geht es so, wie es jeder Generation geht, wenn sie auf die Nachkommenden blickt:

Wie sich doch alles verändert hat!

Die Art, wie Eltern ihre Kinder betreuen, ist heute eine ganz andere, es ist schon genug darüber geschrieben worden, auch hier: Kinder, die noch selbst zur Schule gehen werden immer seltener, zum Beispiel. Dafür müssen sie in Vielem sehr viel selbständiger lernen als früher, Gruppenarbeiten schreiben, konzeptionell aufbauend etwas gestalten, mit Computern und anderen Hilfsmitteln umgehen – dafür kann wohl kaum eines der Kinder einen Busfahrplan lesen…

Und die Förderung der Kinder wird heute auch ganz anders betrieben. Es gibt eine ganze Unterstützungsdienstleistungsindustrie, mit der die Kinder den Vorstellungen der Eltern gemäss ihre Ausbildung schaffen sollen. Dafür dauert es wohl viel länger, bis Eltern die Notbremse ziehen und ihren Kindern bedeuten: Hey, jetzt musst Du Prioritäten setzen. Nun kommt der Sport an zweiter Stelle. Eltern scheinen mir mehr als früher auch mit dem Sporterlebnis ihrer Kinder mit zu fiebern – alles, was das Kind gut kann, gibt Selbstvertrauen und damit auch den Eltern ein gutes Gefühl. Das ist, war, natürlich, schon immer so. Aber ich glaube, dass die Kinder heute im Schnitt sehr viel mehr Einsatzfelder haben, bei denen es um ihre Leistung geht und ihr Fortkommen. Und auch scheint mir, dass Eltern heute sehr viel enger an ihren Eltern dran bleiben, bis in die Pubertät hinein. Kinder gebärden sich bestimmt noch immer schwierig und aufmüpfig in der Erwachsenenfindung, da sind auch mir Müsterchen bekannt, im allgemeinen aber scheint mir, dass es junge Erwachsene heute viel schwerer haben, sich zu verweigern: Wahrscheinlich greift auch das Bewusstsein, sich in einem Wettbewerb behaupten zu müssen, viel früher in den spielerischen Alltag der Kids ein – und in der Tat sind mir selbst Erfahrungen unbekannt gewesen, dass sich irgend jemand meiner Kameraden 200mal für eine Lehrstelle hätte bewerben müssen.

Und wie wohl alle Generationen vor mir schaue ich ein wenig betroffen auf die Szenerie, zurück und “hinunter”, und wünsche mich nicht in die Haut der Jungen.
Gut, sehen die das anders. Sie kennen es ja auch nicht anders. Für sie ist normal, was ich unausgefüllt nennen würde. Wir haben die Welt verändern wollen, sie wollen heute ihren Status verbessern oder sichern. Wir waren für Jute statt Plastik, heute haben wir eine Littering-Gesellschaft. Man könnte hundert Beispiele aufzählen, wie viel Weltverbesserungsbewusstsein verschütt gegangen zu sein scheint. Ob das stimmt? Ich vermag es gar nicht so genau zu sagen. Aber ich empfinde eine dumpfer und tiefer greifende Gleichgültigkeit und ein Misstrauen gegenüber jeder Schwarzmalerei – aber auch gegenüber jedem Idealismus: Wer mahnt und fordert mit Prognosen, ist der erste Phantast in der Realität der Konsumgesellschaft.

Und dann schaue ich auf unsere Plätze und sehe, wie die Jungen Sport treiben – sehe, wie fair viele von ihnen mit Spielsituationen umgehen. Und ich hoffe, es hält sich so was wie der positive Instinkt: Ohne das Miteinander gehen wir alle unter. Die einen einfach ein bisschen früher als die anderen.