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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kritik als Ursache eines Problems?

∞  3 Oktober 2012, 18:03

Was ich am Sport, speziell am so leidenschaftlich diskutierten Fussball so liebe, ist das Phänomen, dass nachher allen glasklar ist, dass es so kommen musste – und warum.

istockphoto.com/koun

Da liefert der FC Bayern nach neun Siegen in Serie ein schwaches Spiel ab und verliert in Weissrussland mit 1:3. Schlampig gespielt, lese ich, Gegner unterschätzt, der Sportdirektor hat es schon im voraus gespürt, usw.

Tatsache ist aber auch: Die allererste Chance des Spiels hatte Toni Kroos, als er den Torhüter schon ausgespielt hatte und dabei nicht so weit abgedrängt wurde, dass man nicht sagen könnte, er hätte noch immer das leere Tor vor sich gehabt. Doch Kroos setzte den Ball an den Pfosten. Und das erste Tor von BATE Borissow fiel, weil eine missglückte Direktabnahme eines weissrussischen Angreifers zu einem perfekten Pass in die Schnittstelle des Strafraums wurde. So stand es nach einer halben Stunde 1:0 statt 0:1. Wären diese beiden Szenen so zu Ende gespielt worden, wie es in 99% der Fälle “passiert”, hätte der Favorit geführt und das Spiel wäre wohl ganz anders gelaufen. Will sagen:

Manchmal gibt es Tage, da spürst du schon zu Anfang, dass das nichts wird. Natürlich bist du an solchen Tagen auch nicht in der Lage, den Hebel umzulegen, aber es wird dir auch verflixt schwer gemacht. Nur, von wem? Was ist Zufall, und was symptomatisch für ein tatsächlich vorhandenes verstecktes Problem?

In diesem Fall wird nun an den neuen Sportdirektor Sammer erinnert, der am Wochenende nach dem 2:0-Auswärtssieg in Bremen nur Kritik für die Mannschaft übrig hatte. Er scheint schon da gespürt zu haben, dass ein Schlendrian einkehrt in der Mannschaft, die neun Mal gewonnen hat.

Hä?

Das scheint sich auch der Trainer Heynckes gesagt zu haben, und dann sagte er es – wie Sammer zuvor – auch öffentlich, und die Medien hatten ihr grosses Thema. Als Spieler kannst Du Dich da fragen, in welchen Film Du gerätst und warum eigentlich “die Leute” nicht einfach die Klappe halten und es geniessen mögen – wer zuviel denkt, verliert an Spontanität und Instinkt und damit – bei einem drohenden Umschwung – schnell an Sicherheit.

Ist also Sammer der grosse Fachmann, der alles schon voraus gesehen hat? Oder womöglich das Sandkorn, welches das Getriebe blockierte?

Hat ein Chef immer recht, wenn er Fehler kritisiert, egal, wie er es macht und wann? Sind die Fehler, die dann auf dem Platz oder im Projekt auftreten, immer den Spielern oder Angestellten anzulasten, oder wurden sie dabei womöglich erst einmal schlecht geführt?

Und das ist eben auch Fussball: Manchmal ist er ein Sinnbild für Prozesse, die ohne Lederball ablaufen und vielleicht auch abwägbarer und weniger von Wettkampfglück abhängig sind. Oder etwa doch nicht? Wie viel machen in die Hände spielende Umstände jeweils aus? Auch dann, wenn man nur die perfekte Aktion bejubelt, das ideale Zusammenspiel? Gibt es das so genannte Momentum nicht auch in jedem Projekt, wenn ein Plan in seiner Umsetzung plötzlich diesen besonderen Flow bekommt, das Momentum, wie es Fussballer nennen, wenn eine neue positive Serie gestartet wird…?