Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Krisen und andere Chancen zur Veränderung

∞  29 Mai 2011, 21:55

Krisen, Unruhen und Zahlungsunfähigkeiten allenthalben. Eine alte Welt, die auf Pump lebt und laufend Krückstöcke zerbricht, und eine junge fremde zweite und dritte Welt, die rebelliert und neue gesellschaftliche Lebensentwürfe sucht. Und finden will. Wir sehen die Gefahren, dort sieht man die Chancen. Genau dahin müssen wir alle wieder kommen.


Finanzkrisen, Währungskrisen, Bankenkrisen, Energieversorgungskrisen, Klimakrisen. Die Welt dreht sich komischerweise weiter, obwohl sie doch scheinbar so sehr aus den Fugen gerät. Zumindest einem Wagenrad sollte sie gleichen, das zu leiern beginnt, eine besorgniserregende Acht in jeder ganzen Drehung beschreibend.

Und wir machen uns Sorgen. Um unsere Altersvorsorge. Um die Arbeitsplätze. Um Besitzstände, Anlagen, Erspartes. Und andernorts, dort, wo wir uns nie hindenken wollten, wo wir in nachdenklichen Momenten ein ungerechtes Schicksal erkannten, in einer Gegend geboren zu sein, in der Despoten räubern und morden, politisch sanktioniert von unseren eigenen Interessen, dort, wo wir arabische Kulturen gefangen glaubten in repressiven Polit- und Kultursystemen, dort herrscht Aufbruch, Wandel, Glaube an Fortschritt, Entwicklung, dort wird Zivilcourage vorgelebt und mit dem Einsatz des eigenen Lebens für das alte Recht auf ein würdiges Leben neu gestritten. Und es sind die Jungen, die ihren Mut finden, angesichts eines ganzen vor ihnen liegenden Daseins an Chancen zu glauben, die ihnen offen stehen müssen.

Ja, wir werden uns damit arrangieren müssen, dass wir Sicherheiten verlieren, dass wir damit rechnen müssen, dass unser Wohlstand angreifbar wird, dass er vielleicht so nicht zu halten ist. Aber nichts ist dran an der politisch geschürten diffusen Angst vor dem Fremden. Es ist vielmehr so, dass eine Welt, die sich nicht um die beruflichen Perspektiven seiner jungen Bevölkerung foutieren kann, eine bessere Welt wird – zu der wir auch gehören, und nicht nur dann, wenn wir nach Nordafrika ins Freizeitresort in die Ferien fliegen. Es ist viel, sehr viel in Bewegung. Dass wir nie darauf gewettet hätten, dass wir Demokratie selbstverständlich wollen, aber vielleicht nicht so unmittelbar, kann nicht das Problem dieser Völker sein, die im Grunde nichts anderes tun, als uns beim Wort zu nehmen.

So, wie diese Menschen an eine bessere Zukunft glauben, sollten wir daran glauben, dass wir selbst auch dazu beitragen – und dass auch unser Bewusstsein nicht in Stein gemeisselt sein muss, dass wir unsere Sicherheit nur durch Zäune finden können. Die Freiheit ist anspruchsvoll. Und bedroht. Immer. Und es lohnt sich, immer wieder nach ihr zu fragen. Nicht nur nach der eigenen.

Für die neuen politischen Ordnungen in Ägypten, Syrien, Libyen finden Menschen aller religiösen Gruppierungen zusammen, und erstaunlich selten spielt der persönliche Glaube eine Rolle – plötzlich ist er nur ein Teil der gemeinsam zu erstreitenden Freiheit, dass es eben jedem Menschen möglich sein soll, friedlich nach seinen Überzeugungen zu leben.

Vieles in diesem Artikel ist naiv gedacht. Ja. So, wie junge Menschen denken mögen. Ich bin froh, dass sie es tun. Denn auch wir Älteren wissen doch: Im Grunde sind sie im Recht.