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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Krippe ja oder nein: Der ewige Spagat

∞  25 Dezember 2007, 18:00

Ich bin – kinderlos – wohl gar nicht autorisiert, dazu eine Meinung abzugeben. Und doch kann ich es nicht lassen, immer wieder darüber nachzudenken und selbst unter dem gordischen Knoten zu leiden, den Frauen heute zu lösen haben, wenn sie allen ihren Ansprüchen folgen wollen:
Ehefrau, Mutter und Arbeit.

Die neue Schweizer Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat es als vordringlich bezeichnet, das Angebot an Krippenplätzen in der Schweiz auszubauen. Selbst konnte ich mich schon hören, wie ich, durchaus mit Lust auf Provokation, die früheren Einrichtungen der DDR als auch konsequent für unsere Gesellschaft bezeichnete, in der Individualismus gross geschrieben wird. Dass daraus auch eine Kultur fehlender Mutter-Kind-Beziehungen folgt, habe ich dabei ausgeblendet. Dabei wird jedes System, greift es einmal flächendeckend, zum Auslöser neuer gesellschaftlicher Spannungen.

Interessant daher das Interview in der Weltwoche Nr. 50 vom 13. Dezember mit Kerstin Götze, einer ostdeutschen Frau mit vier Kindern, selbst traumatisiert durch die eigenen Krippenerfahrungen.

Als Kontrapunkt zu so mancher modern-westlichen Diskussion zu diesem Thema zitiere ich ein paar Aussagen:

Liebe erhalten, umfangen sein vom Körper der Mutter, das ist unser Naturprogramm. Erst wenn wir gediehen sind und innere Sicherheit haben, wird unser Aktionsradius grösser.

[...]

Viele haben auch grundsätzlich das Gefühl, nichts wert zu sein, wenn sie nicht arbeiten gehen. Die Idee, dass einem in einer Ehe sowieso alles gehört, dieses Gedankengut ist unterrepräsentiert. Die Frauen wollen ihr eigenes Geld.

[...]

Ich habe Angst vor der Lieblosigkeit, die hier grassiert. Wie man mit verlogenen Argumenten jetzt in ganz Deutschland, auch im Westen, den Bau neuer Krippen vorantreiben will. Wenn wir in unserer Gesellschaft noch genug Liebe hätten, dann würden wir das von vornherein nicht ins Auge fassen: Ein kleines Kind aus seiner Familie rauszuziehen, es von seiner Mutter zu trennen. Wenn wir noch genug Liebe hätten, würden wir in unserem Herzen wissen, dass das nicht gut ist.



Ich lasse das einfach mal so stehen und weiss um die Einwände, dass unsere Wahrnehmungen im Westen andere sind und wir auch nicht „durch-sozialisiert organisiert“ aufwachsen mussten, und unsere Kinder das wohl auch nicht müssen. Und dennoch finde ich den Kontrapunkt lohnend, einfach mal für sich nachzudenken und wieder neu zu fragen, was eigentlich bei uns falsch läuft.

Der Kinderwunsch der berufstätigen Frau wird respektiert. Aber im Grunde wird sie mit der Drei-Uneinigkeit ihres Selbstverständnisses in Arbeit, Familie und Partnerschaft allein gelassen. Umgekehrt setzt die Macht des Scheidungsrechtes so manche Mutter in die Möglichkeit, dem Ex bezüglich der Kinder extreme Daumenschrauben anzulegen.

Damit wird die emotionale Nähe des Mannes zum Kind torpediert. Ehe und Beziehung sind immer auch ein Ausbalancieren der Macht. Und darin spielen die Kinder und der Zugang zu ihnen eine grosse Rolle: Die Mutter als erste Erzieherin, der Vater als erster Geldverdiener.

Die Mutter in ihrer körperlichen und emotionalen Bindung zum Kind bevorteilt, dem Vater bleibt der Geldbeutel – oder zumindest die erste Verfügungsgewalt darüber (in der Ehe).

Welcher Mann und Vater, der das hier liest, ist schon auf die Idee gekommen, seiner Frau nicht nur die Unterstützung zuzusichern, sondern sich bewusst für Familie mit oder ohne Kind zu entscheiden und den Selbstwert seiner Frau als Erzieherin, Hausfrau und Mutter zu stützen, indem er ihr vorschlägt, alle Einkünfte des Hauses wirklich zu teilen? Und zwar nicht als Versprechen, sondern tatsächlich und rechtsverbindlich?

Wie wäre es denn, wenn die Politik solches fördern würde, indem sie z.B. umgekehrt Männern, die ein solches Modell annehmen oder praktizieren, im Scheidungsfall mehr Luft lassen würde?