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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Klagenfurt - Das Literaturtribunal

∞  4 Juli 2012, 13:44

Ab Donnerstag beginnt sie wieder, die öffentliche Zerlegung literarischer Texte und derer Verfasser an den Klagenfurter Literaturtagen, dieser Art eines Wettlesens um den Ingeborg-Bachmann-Preis.

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Es ist auch ein ganz spezielles TV-Format, dieser Vortrag eines Textes durch den Autor und die gleich im Anschluss daran folgende öffentliche Diskussion darüber vor Publikum. Ich mochte diese Form der Debatte bestenfalls “ungeschminkt” nennen, wenn ich sie mir in früheren Jahren anhörte, oder eben ansah. Mir schien es oft so, dass die Jury die Texte genau so wenig verstand wie ich, das aber niemals zugabe sondern ganz bestimmt immer eine Deutung bereit hielt, um den Verriss darauf folgen lassen zu können.

Und ich stellte mir die Gefühlslage der Autoren vor, die da – wie Schüler im Bank – an einem schmalen Tisch sassen und lasen – und dann vor allem hörten, was man befand, über sie und diesen Text. Ich sah manch innere Immigration stattfinden, die sich auf in der Starre der Gesichtszüge manifestierte. Nirgends wurde mir je so komprimiert die fast unerträgliche Spannung des Autors dargestellt – zwischen dem Wunsch, gehört und gelesen zu werden, und der Verzweiflung, dass damit auch eine Deutung verbunden ist – und eine Bewertung.

Seit Kathrin Passig 2006 daran teilnahm und auch noch gewann – ist klar: Man kann da was selbst Geschriebenes lesen und dabei eine souverän bis herrlich unversehrt bleibende Gelassenheit gegenüber allem Pipapo-Firlefanz der Bedeutungsschwere bewahren. Die eigene Schau der relativen Unaufgeregtheit, in der man auch einfach etwas nicht wissen oder kennen mag, stellt sich so der Inszenierung des sich selbst feiernden Literaturwettbewerbs entgegen.

Aber da liegt ein Magnet für Schreibende in diesem Format, denn nirgends wird einem so öffentlich anerkannt und ungeschminkt brutal vor Augen geführt, dass der sich abgerungene Text nur der Beginn des wirklichen Spiessrutenlaufs ist: Was gelesen werden kann, öffentlich geworden ist, macht sich selbständig und hat doch für immer für andere mit dem Autor zu tun, mag der sich gerade darin und in den Deutungen auch furchtbar entfremdet von der Welt fühlen, in er doch eigentlich ständig hinein zu schreiben versucht…

Ingeborg Bachmann sagte über Literatur, sie sei ein „nie ganz zu verwirklichender Ausdruckstraum“. Im Gegensatz zu den Kritikern leiden die Schreibenden selbst am meisten unter dem Unvermögen, mit der Sprache den Gedanken zu fassen…

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