Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kindergeschrei und mehr

∞  30 September 2012, 13:42

Ich kann immer nur wieder staunen, mit welcher Energie Kinder kundtun können, was sie gerade erleben – und mit welcher Lautstärke.

Ich habe keine Kinder. Ich schreibe das hier mehr zu meiner Entschuldigung hin, denn wenn sie den nachfolgenden Text lesen, den ich hier spontan verfasse, dürfte das unter Umständen leider offensichtlich werden…

istockphoto.com/koun

So ein Kind besitzt eine unglaubliche Energie. Jeder Duracell-Hase, egal aus welcher Werbung, ist im Vergleich dazu absolut chancenlos. In unserer Nachbarschaft treffen sich einige Kinder im Vorschulalter regelmässig zum Spielen im Garten, auf der Strasse. Ich bekomme es garantiert mit. Das ständige Geschrei ist unüberhörbar, und ich staune vor allem über die Tonlage bei einem der Mädchen. Es ist ein durchdringender, sehr hoher Ton, bei dem ich glaube, dass der gute Oskar aus der alten Blechtrommel noch neidisch werden würde. Und ich frage mich, wie Eltern das aushalten mögen? Sie gewöhnen sich ja schnell an, eine lässige Gleichgültigkeit nach aussen zu demonstrieren, aber wie ist die ständige Präsenz eines solchen Energiewusels überhaupt auszuhalten?

Was bin ich doch für ein gefühlloser alter Knacker, nicht wahr? Kein Wort von der tiefen Verbindung zwischen Vater und Kind, dieser alles kompensierenden liebevollen Obhut für das eigene Fleisch und Blut. Ich frage mich nur, wie Eltern damit umgehen, wenn die eigenen Kinder wirklich nerven, wenn sie merken, wie “es” allmählich zuviel wird. Und ich frage mich weiter, ob sie dabei ehrliche Unterstützung bekommen können? Reden Mütter und Väter unter einander aufrichtig über die Phasen, in denen sie ihr Kind unter eine Käseglocke stecken möchten? Über die Gefühle nahe am Rande eines Nervenzusammenbruchs? Oder ist man nach aussen IMMER die souverände Familienmanagerin, der gelassene Vater? Wie sind die vielen Berichte über verhaltensauffällige Kinder zu deuten, die Unterstützungs- und Förderprogramme der Insitiutionen rund um das normale Schulpensum? Haben diese Phänomene enorm zugenommen oder werden sie heute einfach mehr erkannt, zugeordnet und dann angegangen?

Und sind alle diese Massnahmen vielleicht auch mit ein Argument, das es Eltern heute eher schwieriger als leichter macht, sich eine Autorität gegenüber dem Kind zu erhalten, welche Orientierung durch Grenzen anbietet?

Ich weiss es schlicht nicht. Manchmal kommt mir vor, dass in Biographien berühmter Menschen mit “Karriere” heute viel häufiger auf eine höchst wechselvolle Laufbahn in der Schule hingewiesen wird – weil das mehr vorkommt, oder weil heute wenigstens die Diskussion darüber gesellschaftsfähig geworden ist? Am Ende der Kindheit aber steht heute sehr viel abgeschliffenener als jemals zuvor die junge Person, die den schnellen Einstieg in die Berufswelt sucht, die mehr, schneller und drängender danach fragt, wie sie sich eingliedern, anpassen, behaupten und vorwärts kommen kann.

Mehr Geschrei erlaubt als früher, aber am Ende weniger Umweg, bitteschön?
Eltern investieren heute äusserlich enorm viel in die bestmögliche Ausbildung ihrer Kinder, Förderprogramme gibt es unzählige. Wie viel Druck entsteht da auch für die Eltern, wenn sie jenseits des äusseren Verhaltens Angst um die Auswirkungen der angestrebten Stromlinien auf ihre Kinder haben? Vertauschen sich hier womöglich manchmal Ursache und Wirkung, verkopfen wir die Kinder, rauben wir ihnen das Kindsein, so dass sie erst recht fast platzen müssen, wenn sie “losgelassen” werden?

Aber, ganz ehrlich, der Schrei dieses Mädchens…