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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kern von Enttäuschungen - und Freundschaften

∞  27 Januar 2013, 15:45

istockphoto.com/Traceybc: “Expressions”




Das Empfinden einer tiefen Mutlosigkeit angesichts von Krisen, die Kapitulation, die Schnelligkeit der Ermüdung, die Intensität einer Enttäuschung – woran liegt es, dass wir so unterschiedlich empfinden, reagieren, verarbeiten und unsere persönlichen Rechnungen aufmachen?

Sie werden nun antworten, dass dies eben Einstellungssache sei, dass man seines Glückes oder zumindest seiner Zufriedenheit eigener Schmied sei, und ich habe nicht vor, Ihnen zu widersprechen. Denn schlussendlich hilft auch mir selbst in der Findung und Stärkung meines eigenen Selbst-Bewusstseins nichts wirklich weiter als Glaube und Erleben, dass ich selbst meine Sicht auf die Dinge beeinflussen kann.

Aber was bedeutet es, wenn diese unsere gedankliche und moralische Einstellung zu unseren Lebenswendungen, unsere Beurteilung von Freundschaften und die Gegenrechnung von Aufmerksamkeiten, wenn alles also, was wir der vermeintlichen Tatsache zurechnen, dass unser Leben ein verdankenswertes oder ein beklagenswertes sei, nicht wirklich ursächlich in unserem Bewusstsein angelegt ist, sondern biologische, genetische Bedingungen hätte? Schliesslich ist doch schon der erste Impuls, mit dem zwei Menschen auf die gleiche Lebenssituation reagieren, ein oft sehr unterschiedlicher. Wie es im Volksmund heisst, “nehmen manche Leute das Leben schwer”. Wieviel davon ist wirklich tradierte Erfahrung, Erleben, mangelndes positives Selbstbewusstsein, und was wird uns daran mitgegeben?

Was wäre dann der Grund, dass nicht alle Menschen gleich glücklich sein können? Lässt unser Denken so etwas überhaupt zu? Warum finden die einen Menschen Gott, andere die beste mögliche Frau und Dritte wissen gar nicht, dass sie echtes Verliebtsein nie erlebt haben? Wer definiert unsere Qualität, den Gehalt unseres Erlebens? Womit wollen wir das vergleichen, da wir nur einen Gefühlshaushalt wirklich wenigstens im Ansatz kennen – den eigenen?

Ich reagiere oft sehr ungehalten auf Forderungen nach Gegenleistungen, die jemand meint, von mir einfordern zu können. Ich mag gar nicht darüber diskutieren, ob sie berechtigt sind oder nicht, da ich gegenfragen möchte: Was möchtest du, Freund, denn nun gerade von mir hören? Ganz offensichtlich hast du etwas anderes von mir erwartet, als ich dir gegeben habe. Meine Wahrnehmung war das nicht, oder ich habe es nicht als so dringlich erachtet – genau so, wie ich mich oft zuvor für mich daran erinnern musste, dass mein Warten auf eine bestimmte Form von Unterstützung töricht war: Nicht geschäftsmässige Verbindungen leben gerade davon, dass die Frage nach einem aufrechnenden Zug um Zug sich gar nicht stellt, weil die tiefere innere Abwägung ganzheitlich ergeben hat, dass die Wertschätzung über jene Momente hinaus geht, in denen sich der eine von beiden in den eigenen Seelenhaushalt vergraben muss – oder auch nur schon in die Arbeit. Freundschaft, Beziehung, Haltung zu Menschen und ganzen Leben sind dann ausgeglichen, liebevoll, gütig, gelassen, positiv, wenn das Vertrauen in den Ausgleich zwischen Geben und Nehmen in langen Zeiträumen möglich ist, ja, wenn man erkennt, dass Menschen wie Umstände es verdienen, angenommen und erlebt zu werden – fern von Erwartungen, die Enttäuschungen mit sich bringen können.

Ein Freund muss mir nichts beweisen. Aber er darf mich alles fragen. Ich weiss um ihn und das Zwischenuns. Und er stärkt mich darin, Herr und Bestreiter meines eigenen Lebens zu sein, unabhängig davon, ob er gerade neben mir steht oder nicht. In gewisser Weise ist er genau dann immer irgendwie an meiner Seite. Ganz egal, wie federleichte oder zentnerschwere Voraussetzungen ich habe, um meinen persönlichen Frieden mit meinem Leben zu finden.