Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Karfreitag und Tibet

∞  20 März 2008, 18:10

Wenn meine Tage davon abhängig sind, wie ich sie selbst gestalte, ich also nicht mehr fünf Tage im Büro sitze, wenn sie sich also nicht mehr zwingend in Werk- und Freitage aufteilen müssen, dann, so dachte ich, würden Feiertage ihre Bedeutung verlieren. Aber irgendwie ist das Gegenteil der Fall.

Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so produktiv wie in den letzten zwölf Monaten, und ich war es ausnahmslos an irgendwelchen Tagen, also, eben, auch am Samstag oder Sonntag.

Da ich aber heute meine Umgebung sehr viel bewusster wahrnehme, bekomme ich natürlich auch den Rhythmus der Menschen sehr viel intensiver mit als früher. Und es ist ihnen anzumerken, wenn die freien Tage näher rücken. Im Büro nimmt das Tempo ab, die ersten Pendenzen werden auf nach Ostern verschoben. Es folgen vier freie Tage – oder die übliche Eile wird zumindest durch eine andere, scheinbar selbst gewollte, ersetzt.



Bild: Aus Caro’s Fundus: Radiergummi

Für mich ist ein Feiertag wie Karfreitag sehr viel stärker als früher ein Tag der Besinnung geworden. Der Geist darf einmal ruhen. Eigentlich wäre die Ruhe gar das Programm dieses Tages. Während in Tibet und anderswo sich die Kerker füllen, verkündet unsere Religion den dramatischen Höhepunkt göttlichen Mitgefühls für uns Menschen. Eine grössere Liebe Gottes, als sie sich in Jesu’ Tod manifestiert, ist für den Menschen nicht vorstellbar.

Ich wünschte mir, es würde davon etwas um den Erdball wehen. Nicht missionierend, nicht flammend vor Eifer, aber glimmend in ewiger, nicht ausrottbarer Menschenliebe, von uns genährt, stellvertretend für alle, die leiden, mit unseren Nächsten gelebt, denen wir in die Augen sehen wollen, um Ihnen die Freundschaft zu erneuern, immer wieder. Und fortgeführt an den Nächsten, die uns gezeigt werden, uns eben nicht einfach über den Weg laufen sollen, sondern begegnen dürfen.

Mein Herz wird schwer, wenn ich an die Gequälten denke. Aber zu brennen beginnt es, wenn ich an die Quäler denke und daran, wie sie sich in ihrem Innern fühlen, wie weit sie von sich entfernt sind und wie dunkel ihr Leben sein muss. Ich kann keine Wut für sie empfinden, denn in diesen Mauern sind alle Gefangene. Wut möchte in mir aufkommen, ja brodelt in mir wirklich hoch, wenn ich an die kalte Berechnung jener denke, die in diesem wie in jedem anderen System skrupelloser Machtentfaltung profitieren und es gerade deshalb mit aller Berechnung schmieren und ölen.

Doch der Sohn Gottes, dessen Tod wir morgen gedenken, würde leise den Kopf schütteln und mir zeigen wollen, wie gefangen gerade die Profiteure sind, weil ihre Stellung ihnen keinen Anlass zu geben scheint, Mensch zu werden und die eigene Seele zu suchen.