Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kambodscha: Phnom Penh

∞  22 Juni 2009, 06:50

Erlebt am 26. März 2009


[Geographie: Landkarte via redravine
Bilder des Tages: Album ]


Wir sitzen an einem schönen Tisch direkt am Fenster und bedienen uns ausgiebig von dem riesigen Frühstücksbuffet.
Um 09:00 beginnt unsere Stadtrundfahrt. Wir kurven durch das Kolonialviertel, wo es noch einige hübsche Häuser aus der französischen Zeit hat. Die Strassen sind breit, mit Bäumen gesäumt. Zuerst besuchen wir das Palastviertel. Ich mag diese Gebäude mit den geschwungenen Dächern, sie sehen so edel und leicht aus.




Der ganze Bezirk ist sehr grosszügig gestaltet, sodass alles gut zur Geltung kommt.




Wildguaven- und Kanonenkugelbäume stehen in voller Blüte, bilden Alleen.






Eine Wandelhalle, rund um einen Platz angelegt, ist vollständig mit Fresken ausgemalt, welche die kambodschanische Version des Ramayana erzählen.




Auf dem Platz selber stehen mehrere Stupas der verstorbenen Könige




und die Silberpagoda, die so heisst, weil ihr Boden aus echten Silberplatten besteht – 5000 Stück à 1 kg sollen es sein. Sie beherbergt einen lebensgrossen Buddha aus reinem Gold, mit Diamanten verziert. Wir setzen uns hin, versuchen all die Schätze, die sich auf dem Altar türmen, zu erfassen. Schön, dass wir Zeit haben. Photographieren darf man hier nicht.
Nach gut zwei Stunden verlassen wir das Palastviertel und fahren weiter zum Wat Ounalom, dem Zentrum des kambodschanischen Buddhismus. Wir setzen uns in einen höhlenartigen Tempel, der mit uns Dreien praktisch voll ist. S. hat Räucherstäbchen mitgebracht, die wir anzünden. Sie kommt oft hierher, um zu beten.
Nach dem Lunch geht es in den russischen Markt. Weshalb der so heisst, weiss ich nicht mehr. Jedenfalls handelt es sich um eine riesige Markthalle, mit hunderten von winzigen Ständen,




in der eine Hitze wie in einem Backofen herrscht.




Unter all den Marmor- Speckstein- und Holzschnitzereien finde ich leider keine Drachenfigur, dafür einen Gang weiter einen Hausanzug aus Seide für 8$. S kauft ein Bild, das ich nicht haben möchte und Thinky einen Winterschal aus einem Seiden-Wolle-Gemisch. Nein, er ist nicht erkältet, es geht ihm im Gegenteil sehr gut, die Tabletten tun ihr Werk.
Der Fahrer hält auch diesmal nicht nur die Tür auf, sondern ebenfalls gekühltes Mineralwasser und Erfrischungstüchlein bereit. Parkiert wird nur im Schatten, dann schaltet er die AC aus. Bei diesem Service ist eine Stadtrundfahrt auch bei Temperaturen an die 40° gut zu überstehen.
Kurzer Halt beim Früchtemarkt. Beim Händler von S’s Vertrauen erstehe ich ein Kilo Mangustinen, meine Lieblingsfrüchte. Leider haben sie noch keine Saison, deshalb sind sie selten zu finden. Reif sind sie aber, ich darf probieren. Auch Bananen brauchen wir noch als Proviant für morgen.
Der letzte Programmpunkt ist das Wat Phnom (Phnom = Hügel). Nach einer Legende fand Frau Penh




im 14. Jh. vier Buddhastatuen, denen sie auf diesem Hügel eine Pagode errichtete.


Die Siedlung, die nach und nach darum herum entstand, wurde zu Phnom Penh.
Ilonas Spatz ist heute eine Schwalbe, wie wir vor dem Betreten des Tempels sehen. Auch hier gibt es viele Kleinode zu entdecken, und der Tempel wird rege besucht. Ich scheine fast die Einzige zu sein, die den Altar im Uhrzeigersinn umkreist. Merkwürdig. Auch hier setzen wir uns hin.Trotz der vielen Besucher herrscht eine wunderbar ruhige Atmosphäre, die mich ganz bei mir sein lässt.




Im Park stehen einladende Bänke unter Bäumen. Ueberall hat es kleine Schreine und Geisterhäuschen, liebevoll mit Opfergaben bestückt (wenigstens die meisten). Ein schöner Ort!


Eine Reiseleitung, die echte Begleitung ist


Wie wichtig ist eine Reiseleitung? Ihre Bedeutung mag sehr beschränkt sein, wenn man für eine Stadt wie Phnom Penh eigentlich nur einen Tag Zeit hat und die Fülle der Bilder und Sehenswürdigkeiten, die Gerüche und das Gewusel auf den Märkten und die Andacht in den Tempeln schon für sich so eine Fülle an Eindrücken bildet, die viel zu groß ist, um aufgenommen werden zu können. Und doch ist es wichtig. Gerade an S. zeigt sich das sehr schön. Ganz offensichtlich versteht sie sich gut mit meiner Frau. Oft zeigt mir die einander zugewandte Körperhaltung der beiden Frauen an, dass hier wirklich Gespräche geführt werden. S. besucht die Tempel auch aus eigenem Antrieb, ganz beiläufig hören wir, dass sei auch “privat” herkommt. Sie schlendert mit uns nicht nur durch den Russenmarkt, sie sucht sich vielmehr selber ein Bild aus und erlaubt uns damit ganz eigene Einblicke in Geschmack, Kultur und Handel unter Einheimischen. Sie hat in den 80er Jahren in Deutschland studiert und hat daher ein Gefühl für unsere westliche Mentalität. Und in allem ist sie doch eine sehr selbstbewusste moderne Frau, der es nicht schwer fällt, unseren Respekt zu erhalten. So hört man ganz automatisch genauer hin – und da man die Sympathie gegenseitig fühlt, bekommt man das Gefühl vermittelt, dass der Service, den man einfordern könnte, weil man ja dafür bezahlt, gern und sehr persönlich geleistet wird. T. hat mir ihre Stadt wirklich nahe gebracht. Und ihr Volk auch.
An diesem Tag fühle ich mich auch immer mal wieder an Ecuador erinnert. Was wir hier über Entwicklungsprojekte erfahren, gleicht sich doch sehr mit Südamerika. Hier wie dort stören sich Einheimische an der Lohn-Diskrepanz zwischen ausländischen Spezialisten und den Löhnen für die hiesigen Mitarbeiter. 400 Dollar Monatsgehalt sind nicht allzu viel, denn das Alltagsleben hat durchaus hohe Kostenfaktoren, mal einfach nur schon am Beispiel der öffentlichen Schulen aufgezeigt: Die sind zwar gratis – aber die obligatorische Schuluniform muss bezahlt werden. Der öffentliche Unterricht schließt um elf (die kambodschanische Familie steht spätestens um sechs auf) – die freiwillige Schulstunde im Anschluss zur weiteren Förderung der Kinder kostet 15 US-$ pro Monat pro Kind. Gemüse, z.B., scheint ziemlich teuer zu sein… Wenn man dann hört, dass der ausländische Leiter eines Entwicklungsprojektes 10’000 US-$ im Monat verdient, so mag man sich schon fragen, ob es in seinem Sinn ist, wenn das Projekt ein (womöglich noch vorzeitiges) gutes Ende nimmt und die Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert… Offiziell müssen solche Gehälter bezahlt werden, weil man sonst die Spezialisten nicht zur Arbeit in solchen Ländern motivieren könnte. Ich weiß nicht, ob mit diesen Mechanismen nicht zu hohe Ansprüche an die Loyalität der Entwicklungshelfer gestellt werden – wer mag sich da entbehrlich machen wollen?