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Jogi Löw: Umgang mit Kritik: Erst verzockt, dann verstockt?

∞  17 August 2012, 12:46

Jogi Löw gegen “die Presse”, Oliver Kahn gegen Jogi Löw. Diskussionen über Sport sind ja immer wieder Biotope, in denen sich ablesen lässt, wie das so funktioniert, mit dem Vorschuss an Goodwill und dem Liebesentzug – und wie diffizil der Umgang mit Zielsetzungen ist – oder die Kritik von so was abstraktem wie “Einsatz”, zum Beispiel.

Eigentlich würde es ja reichen, zu sagen: Wir wollen jedes Spiel gewinnen.
Oder eben:
Wir wollen so viel verkaufen wie möglich.
Was ja alle wollen. Daher müsste eigentlich viel mehr interessieren, WIE man das Spiel gewinnen will – oder eben optimal verkaufen. Das würde sich dann an den Fähigkeiten und Stärken der Spieler bzw. des Verkäufers orientieren – und es ist das, was der Trainer und der Chef hoffentlich auch macht. Nur:
Man definiere Erfolg oder Misserfolg…

Ist es richtig, immer einfach an den eigenen Ansprüchen gemessen zu werden? Ist ein Halbfinale an einem grossen Turnier ein Erfolg oder nicht? Ändert eine Niederlage, ein geplatztes Geschäft alles?

Nirgends können so viele Menschen danach so genau sagen, wie man es hätte anders machen können, wie beim Fussball. Und interessant ist auch immer,, wie die Stimmung sich plötzlich gegen eine Person richten kann, nachdem diese bis dahin nahe entlang der Seligsprechung zu wandeln schien.

Jogi Löw hat im Halbfinale gegen Italien an der EM seine Aufstellung dem Gegner angepasst und die erfolgreiche Mannschaft aus dem Viertelfinale auf mehreren Positionen geändert – und damit genau das gemacht, was er zuvor ankündigte, NICHT zu tun. Der Gegner und die eigene Anhängerschaft glaubte, Deutschland würde spielen wie zuvor. Wäre die Umstellung erfolgreich gewesen, Löw wäre wohl endgültig als Guru vergöttert worden – allein, es ging schief. Gründlich schief.

Da war ein sanftes Gschmäckle einer vermutbaren Überheblichkeit, die den Trainer geritten haben könnte, und ihn dazu verleitet haben mag, erneut alle zu verblüffen und zu zaubern. Knapp 50 Tage später lässt Löw verlauten, dass nichts falsch gemacht wurde. Da mag man aufheulen als Journalist, als Fan, als Kritiker im Studio. Ungeschickt ist es irgendwie, und auf jeden Fall ein Zeichen, dass auf allen Seiten die Leichtigkeit des Seins einer neuen viel ausgeprägteren Notwendigkeit zur Bestätigung gewichen ist.

Was bleibt ist die innere Sicherheit, dass 98% der Kritiker dazu im Grunde null Kompetenz besitzt. Darum ist ja auch das Resultat so wichtig: Es gibt auch den Banausen recht. Was zur Niederlage führte, kann niemals richtig überlegt und durchgeführt gewesen sein.

In Unternehmen mag es einfacher sein, im Kern der Teams alle Faktoren eines Erfolgs zu gewichten – aber wie sieht das gegenüber dem Verwaltungsrat aus – und bei einer börsenkotierten Firma gar gegenüber Aktionären, Analysten und Wirtschaftsjournalisten? Denn auch da spielt der Umgang mit den Erwartungen eine extrem wichige Rolle. Mag diese auch noch so irrational geschürt worden sein – von eigenen Protagonisten, oder von aussen heran getragen.

Das Möglichste geben. Der Spieler kann genau das weiter versuchen. Sein Chef ist dabei sehr viel stärker von äusseren Umständen abhängig, von Gewitterlagen und Stimmungsumschwüngen – und er tut gut daran, sich schon im Erfolg dessen bewusst zu sein und nicht zu glauben, er könnte diese Dynamik je selbst kontrollieren.