Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Island und seine Geschichten

∞  11 Oktober 2011, 23:38

Ein Land. Nur 320’000 Einwohner. Urwüchsige Landschaften. Unmögliche Namen. Eine skurril anmutende Sprache. Merkwürdige Naturphänomene. Sagenumwobene Wesen. Viel Regen. Und Wind. Und Schnee. Weite Landstriche, wenig Menschen. Mit einem nicht auszubeutenden Reichtum.


Was alles an Voraussetzungen geradezu zum ruhigen Leben einlädt, wurde in der kurzen Vergangenheit heftigst durchgeschüttelt. Island wollte sich wirtschaftlich neu erfinden und landete in der grösstmöglichen, weil gerade noch händelbaren Bankenpleite – haarscharf am Staatsbankrott vorbei. Aber die Isländer rappeln sich auf. Sie besinnen sich. Vertragen sich. Leben – noch – in Häusern, von denen die meisten noch lange nicht abbezahlt sein werden. Die Immobilienkrise wird wohl eines der am längsten würgenden Probleme bleiben. Aber Island ist auf einem guten Weg. Wo Schaf und Fisch noch vorhanden sind, erinnert man sich der ursprünglichen Identität, und findet zurück – oder gehört gar zu denen, welche eh nicht verstanden haben, was das soll mit dieser Weltwirtschaft. Und die Touristen, so hört man, kommen in Scharen. Es dürfte noch nie so billig gewesen sein, Island zu bereisen.

Wo zehn Isländer zusammen sitzen, höre ich, wird irgendwann ein Name fallen, zu dem jemand eine Geschichte kennt – um sie dann auch zu erzählen. Aufmerksamkeit, fröhliches Gelächter in der Runde, eine Geschichte ergibt die nächste. Nach ein paar gefühlten Wimpernschlägen ist eine Stunde vorbei, und niemanden verlangt es danach, aufzustehen. Die Heute-Sendung des ZDF erzählt mir das, und berichtet von der nahen Frankfurter Buchmesse, mit Island als Gastland.
Eigentlich, so sagt ein Schriftsteller da, können wir gar nichts anderes als Geschichten erzählen.

Es ist das, was unterhält und zusammenhält, in alten wie auch wieder in den aktuellen Zeiten, in der Geborgenheit von vier Wänden mit Gästen, ob in einem gezimmerten oder gemauerten Haus. Sich was erzählen ist ein einfaches Vergnügen – aber machen wir hier im Netz – allerdings im Kampf mit tausend Ablenkungen – etwas anderes? Wünschen wir uns nicht eigentlich genau das? Man möchte vom Echten erzählen, vom Urwüchsigen, das in die Mitte stellen, was wirklich ist und bei dem sich alle finden können.

Erzählen, nicht tratschen. Fabulieren, nicht verleumden, ergründen, nicht zerreden. Ahnen, dass wir alle voller Geschichten sind und mit diesen Geschichten Teil einer Gemeinschaft.

Das Garn der Geschichte webt sich um die Anwesenden, die Zuhörer. Und darum, weil Island den Reichtum seiner Geschichten nie aus dem Bewusstsein verloren hat, ist Island ein Land der Leser und Schreiber. Allein vierzig Autoren – bei einer Einwohnerzahl von nur dreihunderttausend Menschen, reisen zur Buchmesse. Ein Tag ohne Lesen in einem Buch, so sagt man in Island, ist ein verlorener Tag. Ein solches Land kann nicht untergehen. Es wird sich vor allem in all seiner Ruhe nie langweilen. Und sich nie ganz aus den Augen verlieren.

Und darum sind die Isländer, bei allen geschaffenen Problemen, auch zu beneiden. Sie dürfen in Island leben. Und Island wird ihnen den richtigen Weg schon zeigen. Und noch lange vorlesen.


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Sagenhaftes Island
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