Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Integration - vorgedacht

∞  4 März 2008, 13:20

Schweizer Fernsehen und Radio führen vom 7. bis 13. April eine Themenwoche zum Stichwort Integration durch


Du bist noch aussen vor. Vielleicht gar fremd. Du klopfst an die Tür, schleichst Dich nicht durch den Hintereingang. Dein Blick ist offen. Fragend. Du bittest darum, hinein kommen zu dürfen. Ich kann nicht nur Forderungen aufstellen, Kriterien definieren, die eine Abwehr bedeuten. Ich muss und darf und will damit rechnen, dass Du darlegen kannst, dass Du es wirklich willst: Nicht nur anwesend sein, sondern über den Gast zum Teilnehmer werden.
Hoppala. Da stehen mir ja selbst neue Erfahrungen bevor. Wenn ich Dich integriere, Du Dich mir anpasst, meine Sprache lernst, dann kannst Du mir ja von Dir erzählen. Ich lerne. Abwehr ersetze ich plötzlich durch Neugier. Und gleichzeitig kann ich Dir zeigen, auf was ich stolz bin. Ich biete Dir meine Werte an, weit über jene hinaus, die für das Zusammenleben bei uns unverzichtbar sind, auch für Dich – und möchte gleichzeitig von Deinen Werten erfahren.

Du bist neu. Also darfst Du erwarten, dass wir Verständnis haben dafür, dass Dir viele Dinge schwer fallen, Du sie nicht verstehst oder Zeit brauchst, um Fuss zu fassen. Wir bauen keine Hindernisse auf, sondern Hilfestellungen. Dahinter aber steckt auch ein Ziel, eine Absicht und eine Erwartung. Du bist willkommen, wenn Du die Sitten und Gebräuche, die hier herrschen, nicht nur respektierst, sondern sie auch annimmst, so weit und so tief, wie sie die Selbstbestimmungs- und Menschenrechte Aller betreffen und unser Zusammenleben regeln.
Wenn Du dies tust, darfst Du erwarten, dass Du Deine eigene Kultur, Dein Wissen, Deine Erfahrungen mit einbringen darfst, und Du darfst hoffen, dass wir uns für diese Dinge öffnen. So profitieren wir Beide von einander und bekommen eine Gemeinschaft geschenkt, in der die Vielschichtigkeit nicht trennt, sondern verbindend bereichert.

Eines Tages werden wir einander aufziehen mit unseren Eigenheiten und den Charakterzügen unserer Mentalität. Weil wir gegenseitig gelernt haben, diese zu erkennen und darüber auch lachen zu können.

Du kannst zu einem Teil unseres Landes werden und es weiter entwickeln, wie es viele andere Generationen von Menschen gemacht haben, die als Gäste oder Arbeitende kamen und als Nachbarn geblieben sind. Unser Umgang mit Dir bestimmt unseren Reichtum in der Zukunft. Wir können Dir Sicherheiten geben, die Du als politische Errungenschaft vielleicht bisher nicht kennst.
Es ist kein Wunder, dass in diesem Text mindestens so viel von dem steht, was ich als Einheimischer mitbringen muss. Aber gerade, weil dies so ist, erwarte ich von Dir, dass Du die Notwendigkeit erkennst, Deinen Alltag nach unseren Regeln zu gestalten, wo immer dies für die Gesellschaft und die Gegenleistungen des Staates angezeigt ist. Und Deine Kinder musst Du entsprechend lernen lassen. Sie sollen mit der Freiheit der eigenständigen Meinungsbildung aufwachsen können. Und damit Teil unserer Gesellschaft werden. Damit wir in Frieden von einander lernen und uns verstehen können. Das Grundprinzip der freien Bildung für Alle nach den Prinzipien unseres Selbstverständnisses als Bürger dieses Landes ist nicht verhandelbar. Nicht für Dich und nicht für Deine Kinder. Dafür lohnt sich der Einsatz aller – auch und gerade zum Start das Lernen der Sprache.