Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ins Alter entlassen

∞  30 September 2013, 20:49

In meinem Berufsleben ist es nur ganz selten vorgekommen, dass ich Entlassungen vertreten musste. Genau genommen eigentlich nur einmal. Nun kommen zwei neue Fälle dazu.

In allen diesen Beispielen ist für mich erstaunlich, dass es altgediente Mitarbeiter sind – und auch ich dennoch keinen Weg sah und sehe, die Entlassungen nicht auszusprechen:

Arbeitnehmer, die kurz vor der Pensionierung stehen, in diesem Fall sogar unmittelbar, und noch gerne Teilzeit weiter gemacht hätten – Menschen mit einem jahrzehntelangen Hintergrund als Angestellte der Firma, die, je älter sie werden, um so unzufriedener wirken und die Monotonie nicht länger ertragen können, weil die Tatsache ausgeblendet wird, dass ihnen die Firma ohne Qualifikationen einen Einstieg in der Schweiz möglich machte – mit mehr als gerechtem Lohn.

Jetzt sind Respektlosigkeiten gegenüber dem obersten Chef im Beisein anderer vorgefallen, die dieser gar nicht hinnehmen kann. Und es ist müssig, ein “Schwamm drüber” zu bemühen. Ich will hier auch nicht den Fall der Kündigung beleuchten (oder der nicht erfolgenden Weiterbeschäftigung), sondern hake an der Tatsache ein, dass Menschen, die mehr als zwanzig Jahre (auch bei meiner ersten Kündigung) für die Firma gearbeitet haben, auf der Zielgeraden irgendwie die Luft ausgeht. Entweder, sie empfinden die Routine nun endgültig als stumpfsinnig und ermüdend, oder sie bekommen Stress, weil sie sich vor dem Loch dahinter fürchten.

Was auch immer es ist – ich muss auch festhalten: Keines der Probleme, die hier auftauchen, ist unvorhergesehen. Die Menschen gehen sehenden Auges auf eine klare Situation zu, können abschätzen, wie viel Durchhaltewillen es noch braucht und hatten längst die Chance, ihren dritten Lebensabschnitt zu planen. Aus was für Gründen auch immer tut sich der Graben plötzlich trotzdem auf und sie fallen ins Bodenlose. Unbeherrschtheiten, die man vielleicht schon kannte, sind nun wirklich nicht mehr zu kontrollieren, und es kommt zu wirklich haarsträubenden Situationen.

Was ist es nur, das uns meinen lässt, ohne Arbeit nichts wert zu sein? Und was macht denn unsere Zufriedenheit bei der Arbeit aus? Warum habe ich dann zwanzig Jahre lang nichts mehr dazu gelernt? Vierzig ist heute kein Alter mehr, um sich auf seinem Sessel einzurichten – die Generation, die jetzt pensioniert wird, fand diese Situation noch vor. Der Weg aber ist ganz offensichtlich eben doch sehr weit.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Da steckt keine hohe Nase drin. Ein guter Teil der persönlichen Intelligenz ist ein Gottesgeschenk und eine Frage der Förderung in jungen Jahren. Nein, solche Entwicklungen sind immer auch ein Stück weit eine persönliche Niederlage, mögen die betroffenen Menschen sich auch noch so beratungsresistent gegeben haben, damals, als noch Zeit zur Gestaltung war.

Also baden wir es eben aus, und finden Lösungen. Mit dem immer wieder gleichen Ergebnis: Es geht weiter. Ohne Entlassene und Pensionierte. Das manche endgültig verrückt Machende ist, dass es funktioniert. Die Firma funktioniert weiter und hat Erfolg. Auch ohne sie. Ohne mich. Dabei ist genau das ein Zeichen, dass die Firma gesund ist. Sie ist von keiner einzelnen Person abhängig, lebt sogar auch von Fluktuationen, und gerade deswegen sollte sich niemand an eine Firma verkaufen. Es ist nur Arbeit, es ist im besten und schönsten Fall eine Möglichkeit, seine Talente einzubringen. Es gibt noch viele andere. Geld muss man dafür gar nicht unbedingt bekommen.

Ich wünsche auch unseren Beiden, dass sie ohne die Firma sein können, dass sie recht damit behalten, dass sie besseres verdient haben und dieses Bessere finden. Ich wünsche mir gewiss kein Elend. Wir waren lange froh um ihren Einsatz. Aber wir werden neue Mitarbeiter finden. Jüngere. Mit weniger Erfahrung. Aber auch neuen Ideen. So erneuert sich alles, und wenn man zum Altenteil transferiert wird, ist das eben ganz einfach verd… schwer.