Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Innenstadtleben

∞  2 April 2008, 20:33

Selten, sehr selten geworden, sind sie, die Tage, an denen ich in der Stadt bin. Aber wenn ich dann mal da bin, dann rennt mir die Zeit nicht mehr durch die Strassen voraus. Sie klebt nicht mehr an den Sohlen vor mir, ausser denen ich kaum etwas sehe. Die Zeit ist mir nicht mehr so oft entwichen, ohne dass ich wüsste, wohin. Ich nehme vielmehr Zeit mit und schaue mir die Auslagen in den Geschäften an und mag dabei durchaus auf einen heimlichen Beobachter wirken, als würde da ein Landei die Stadt bald wieder verlassen, um zu Hause erzählen zu können, dass daheim doch alles besser sei.

Aber nein, so ist es ja gar nicht. Das Landei in meinen Schuhen lebt nahe der Stadt und hat in derselben zwanzig Jahre gearbeitet, nachdem es in ihr auch noch fünf Jahre zur Schule ging und drei studiert hat – oder so was in der Art. Nein, ich komme mir vor, als lernte ich das Staunen neu. Und so ist Zürich für mich heute oft eine Sensation. Ich laufe unheimlich gerne durch die Strassen, beobachte die Menschen zwischen ihren Einkäufen und mache mir manchmal das grausame Vergnügen, einen Blick erhaschen zu wollen. Ich gebe jedem Passanten die Chance, mich anzusehen und ein Lächeln von mir zu bekommen. Ich sage Ihnen, Zürichs Strassen in der Innenstadt wimmeln von Menschen, die gar nicht an ihre Chancen glauben. Oder sie ganz weit vorn sehen. Immer vorn. Nie neben sich. Von innen wage ich gar nicht zu mutmassen…

Aber auch ich sehe sie mir gerne an, die schönen Kleider, die eleganten Schuhe, die wiegenden Schritte der Damen, und doch geniesse ich das Eine: Ich muss es nicht selber haben und ich habe keine Bedenken, schief angesehen zu werden, wenn ich die Mode nicht treffe oder mich im Label vergreife. Ich will von in gewisser Weise gefärbten Augen eigentlich gar nicht angesehen werden.

Meine Begegnung danach bringt mir dann einen witzigen Austausch über unsere gegenseitige Markenungläubigkeit. “Siehst Du, ich kann Dir leider keine einzige präsentieren”, sage ich. Und jetzt erst ist mir klar. Ich habe gelogen. Ich trage eine Omega. Geschenk zum runden Geburtstag. Vor fünfzehn Jahren. Ich liebe sie. Und Fanatiker sein, mag ich auch nicht.



Fundstück: streetwear.ch