Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Traurig durch den Advent

∞  28 November 2011, 21:20

Ich hätte keine Schwierigkeiten, eine ganze Reihe mir teuer gewordener Menschen aufzuzählen, denen die diesjährige Adventszeit schwer fallen dürfte, weil sie eine gescheiterte Beziehung verkraften müssen – oder, noch trauriger – einen Menschen durch Krankheit und Tod verloren haben.


Es gibt in diesem Zusammenhang den Standardsatz, der Trost spenden möchte: Dein Mann, deine Frau hätte sich gewünscht, dass du Weihnachten feierst, dass du dich nicht verkriechst, dass du eine Einladung annimmst, verreist, vorwärts schaust.

Geläufig ist mir auch die Sichtweise, dass man den Vertrauten jenseits aller Schmerzen weiss, erlöst von Ungewissheit und Kummer. Das Unbekannte Dahinter, Danach, die Leere, das Nichts oder die Hoffnung, ja, der Glaube an die unsterbliche Seele, das alles hat, in Verbindung mit dieser geliebten Person, ein Ende, das auch ein Loslassen erlauben soll, wenn der Tod zu einem Fixpunkt, zur Ende einer Reise werden darf. Doch herbeireden kann ich das nicht. Und so sind vielleicht gerade diese Feiertage eine Art Treibhaus für den Aufruhr, in dem sich die Gefühlswelt noch befinden mag, mit samt dem Hader über das Schicksal, für immer getrennt zu sein, allein gelassen, einsam, allein.

Ich habe in diesen Tagen ein paar Sätze zu lesen bekommen, die mir eine zusätzliche Sichtweise vorgezeigt haben:

Ich bin traurig, dass mein Mann diesen Advent nicht mehr erlebt. Er hat diese Zeit geliebt. Er wird sie vermissen.”

Nein! Nicht widersprechen, ihr von der Ruhe und dem Frieden erzählen, den ich ihm stattdessen wünsche. Ich bleibe ganz beim Herzen dieser Leserin, die damit etwas – wie ich finde – sehr Schönes zum Ausdruck bringt, obwohl sie gleichzeitig meint, Weihnachten wäre ihr nun – ohne den schon lange schwerkrank gewesenen Mann – eine Last und ohne Bedeutung für sie. Sie erzählt uns damit von der Lebensfreude eines Menschen, dem, scheinbar ein kleines Häuflein Elend, im Glanz des Advents das Herz aufgegangen ist. Sie trauert darum, dass ihr Liebster diese Feierlichkeit nicht mehr fühlen, erleben und teilen kann. Und sie kann sie für sich selbst nicht in gleichem Masse entstehen lassen. Wenn ich das jetzt hier schreibe, dann weil ich mir wünsche, dass dieser Gedanke dieser Leserin uns gerade jetzt ein bisschen aufrüttelt, und uns erkennen lässt, was uns selbst gerade in der Adventszeit unser Leben teuer und lieb sein lässt. Es gibt da nämlich jenseits aller Termine, Aufgaben und Feierlichkeitsvorgeplänkel eine ganze Menge, für das wir dankbar sein dürfen.

Menschen mit einem solchen Verlust wissen, was sie verloren haben. Ehren wir ihre Verstorbenen, indem wir uns dankbar an die vielen kleinen und grossen Gefühle halten, die wir für einander haben. Es sieht bei uns nicht besser oder schlechte aus als im Haus nebenan, bei Freunden oder Gegnern. Allenfalls anders. Frieden schliessen zu können mit seinen Lebensumständen, ist eine ganz aussergewöhnliche Kunst. Sie gelingt unter Umständen jenen besser, welche jemanden nicht zurück holen können, als jenen, welche auch dieses Jahr der Verwandtschaft nicht davon zu reisen vermögen.

Für Beziehungen, so sagt man, sei Weihnachten oft eine Belastung. Wirklich? Für Verwandtschaften mag das gelten. Aber jenseits aller eingeforderten Liebenswürdigkeiten sitzen jene, die wirklich mit einander können sollten, hoffentlich in Geist und Seele vereint vor dem Weihnachts-Tand – und blicken mit neuem Mut auf die Gegenwart – und damit voraus. Auch meiner Leserin wird das gefallen. Denn nichts lässt einen mehr Bitterkeit empfinden, wie Menschen, die nicht sehen können, was sie an einander haben.