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Ich Schweisser, oder so

∞  21 Januar 2008, 19:27

Der Zürcher Stadtrat hat einen parlamentarischen Vorstoss der FDP, der im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens eine Deutsch- und Staatskundeprüfung verlangte, ablehnend beantwortet.
Wörtlich:

Sprachtests entsprechen nicht der stadträtlichen „Haltung zur Integration“.

Sprachkenntnisse seien
„als ein Teil eines von weiteren Teilen geprägten Integrationsprozesses“
zu verstehen und:
„Mit Sprachtests würde die Integrationsleistung reduziert auf reine Wissensaneignung.“

Zudem erhielten die sprachlichen Kenntnisse der Bürgerrechtsbewerber mit der von der FDP geforderten externen und individuellen Prüfung
„eine Bedeutung, die ihnen nicht zukommt“.

Nach Ansicht des Stadtrates ist neben der Sprache
„die Kenntnis sozialer Gegebenheiten, die Eingliederung am Arbeitsplatz und die kulturelle Integration“ gleichermassen wichtig.

Und ferner
würden Sprachtests „einbürgerungswillige Personen aus bildungsfernen Schichten“ benachteiligen.

Soweit die Wiedergabe eines Artikels in der Zeitung „Sonntag LIZ“ vom 20. Januar 2007 (gez. Wi)

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

Durch welche Amtsschimmelbrille betrachten Sie eigentlich das Problem? Sie argumentieren an meiner Wahrnehmung vorbei und scheinen auf einem fremden Planeten zu leben. Tatsache ist, dass mich ein Befremden beschleicht, wenn ich einen radebrechenden Einbürgerungskandidaten höre, der sich in keiner unserer vier Muttersprachen einigermassen fliessend auszudrücken versteht. Meine Assoziation ist sofort:
Wo und wie hat diese Person überhaupt mit Schweizer Mitbürgern Kontakte knüpfen wollen und können?
Ihre Unterscheidung zwischen Sprachkenntnissen als einem Kriterium unter vielen, wie z.B. dem Wissen über „soziale Gegebenheiten“ und die „Eingliederung am Arbeitsplatz“ sowie die kulturelle Integration als weiteren Aspekten ist für mich abenteuerlich. Wie soll denn bitte die kulturelle Integration ohne Sprachkenntnisse gelingen? Und worin besteht denn die Eingliederung am Arbeitsplatz gerade jener Arbeitnehmer, zu deren Anwalt Sie sich machen, also der Männer und Frauen, die einfache Arbeiten leisten? Mit wie vielen Schweizern sind sie da gezwungen zu reden? Und mit wem wohl verbringen diese Menschen ihre Freizeit? Mit jenen, die ihre Sprache sprechen, das ist doch ganz klar. Menschen, die unsere Sprache nicht lernen, bleiben ja gerade tendenziell isoliert und nehmen eben an unserem kulturellen Leben zwangsläufig nur beschränkten Anteil, wenn überhaupt. Ohne Sprachkenntnisse ist gerade die allfällige Kenntnis unserer sozialen Gegebenheiten eine reine Wissensaneignung, die – wahrscheinlich in Kursen – vermittelt werden müsste. Von allen Kriterien, die sie anführen, ist gerade die Kenntnis der fremden neuen Sprache das Element, das am leichtesten intuitiv zu lernen ist. Und zwar nicht (nur) auf der Schulbank, sondern auf der Strasse, am Arbeitsplatz (sic!) und im Kontakt mit unserer Kultur.
Daher sind Sprachkenntnisse gerade das fairste Kriterium, um den Stand einer bestehenden Integration eines Mitbürgers zu beurteilen. Die Probleme, die sie ansprechen, können bei der Art der Prüfung berücksichtigt werden: Ich verlange von niemandem, dass er fehlerfreies Deutsch spricht, egal ob Mundart oder Hochdeutsch. Aber ich wünsche mir, dass ich mich mit einem Schweizer frei unterhalten kann, ohne dass ich mich ständig fragen muss, ob er mich versteht oder ob ich ihn jetzt richtig verstanden habe?

Ich hoffe, Sie verstehen mich…

Ihr Thinkabout