Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ich kann ihn nicht riechen

∞  24 November 2011, 20:27

Wie sag ich Ihnen, was mich an Ihnen stört? Und wann sage ich es, oder überhaupt?


Keine Ahnung, warum mir dieser Mann gerade heute wieder in den Sinn gekommen ist, aber das ist ja egal. Ich schreibe gern darüber, denn ich denke, ähnliche Gedanken und Situationen kennen Sie auch.

Ich treffe diesen Mann, den Repräsentanten einer ausländischen Firma jedes Jahr genau einmal – auf einer Fachmesse, wo er die neuen Produkte der Firma vorstellt, von denen ich eines durchaus für zukunftsträchtig halte. Also besuche ich diesen kleinen, freundlichen Südländer ganz gezielt jedes Jahr wieder.

Mal abgesehen davon, dass ich bisher nicht wirklich durchschaue, ob er unsere Vertriebsprinzipien wirlich verstanden hat und ich – vielleicht gerade wegen seiner Freundlichkeit – also nicht weiss, ob er bereit wäre, mit uns etwas Dauerhaftes und also auch Verbindliches aufzubauen, habe ich ein zusätzliches körperliches Problem, sobald wir uns am Tisch gegenüber sitzen… Der Mann hat einen extrem starken Köpergeruch, so dass man sich wünscht, doch etwas weiter weg von ihm sitzen zu können.

Was mich in einem solchen Fall immer wieder irritiert, ist die Frage, ob das dem Mann eigentlich niemand je sagt? Und jeder sich einfach seine Sache nur denkt? Wäre es nicht viel besser, man würde ihn mal darauf ansprechen? Vielleicht ist er sich das gar nicht bewusst, etwa so, wie man selbst nicht bemerkt, wenn man Mundgeruch hat? Der Mann wirkt überhaupt nicht ungepflegt, und es kann sein, dass es schlicht eine Eigenart ist, gegen die er mit aller Körperpflege nicht ankäme? Aber es ist schon so, dass in seiner Gegenwart jeder klare Gedanke häufiger mal von der Sehnsucht nach einem noch so billigen Veilchenduft stark behindert wird.

Nun leben wir in einer Zeit, in der es durchaus möglich ist, dass diese meine Wahrnehmung, von vielen Menschen gleich empfunden, dieser Person völlig unbekannt bleibt. Und man stelle sich weiter vor, wie viel Zurückhaltung dieser Mensch begegnet, ohne die Chance, etwas dagegen tun zu können. Er kann sich wohl riechen, er kennt nichts anderes, oder? Das ist schon fast eine Konstellation, wie sie Kafka hätte einfallen können.

Unmöglich, sagen Sie? Nun, ich füge an, dass ich sein möglicher Geschäftspartner bin und also eine solcher Hinweis aus meinem Mund unpassend wäre. Andere werden mindestens ebenso triftige Gründe haben, dem Mann das nicht antun zu wollen – ohne verhindern zu können, dass sie nicht gern mit ihm zusammen sind und ihm gerade damit sicher keine Wertschätzung erweisen.

Na, seine Freundin wird es ihm doch sagen… Und wenn jedes mögliche Herzblatt Reissaus nimmt, lange bevor es dazu kommen “müsste”?

Das einzige, was ich mir vor dem Treffen jeweils vornehme, ist, bewusst durch den Mund zu atmen. …

Ein Geschäft habe ich mit ihm noch nicht abgeschlossen. Ich bin der Meinung, dass das viele andere Gründe hat. Aber was ist, wenn wir die sachlichen Ebenen einander angleichen können und plötzlich eine Geschäftsbeziehung im Raum steht?

Wann habe ich eigentlich je einen Kunden an seinem Messestand gesehen? Fragen über Fragen…